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FÖRDER-UND TRÄGERVEREIN FREIE JUGEND-UND
KULTURZENTREN LEVERKUSEN E.V.
Der Dachverband des Kulturausbesserungswerks hat eine lange Geschichte.
Der folgende Text ist ein Auszug aus der 1997 entstandenen Ausstellung
"Wir hätten die ganze Stadt verändern können".
Ur- und Frühgeschichte
1976 bis Januar 1984
Gegründet wurde der Verein im Jahr 1976 unter den Namen "Förder-
und Trägerverein Freie Jugendzentren Leverkusen e.V."
Der Schritt in die Vereinsmeierei schien notwendig, um fortan als juristische
Person Ansprechpartner für die Stadt Leverkusen im Bereich der selbstverwalteten
Jugendarbeit zu sein.
Im Oktober 1976 wurde der Verein in das Vereinsregister eingetragen. §
2 der Satzung, Vereinszweck, lautet: "Der Verein setzt sich zur Aufgabe,
nach dem Grundsatz der Freiwilligkeit und unter Ausschluß von parteipolitischen,
konfessionellen, beruflichen, rassistischen und militaristischen Gesichtspunkten
- durch aktive Öffentlichkeitsarbeit
- durch Koordination mit der öffentlichen Hand
- durch Bereitstellung von Räumlichkeiten und Sachmitteln den Jugendlichen
in der Stadt Leverkusen die Möglichkeit zu einer eigenverantwortlichen
Gestaltung ihrer Freizeit zu geben.
In den folgenden Jahren bewarb sich der Verein, meist zunächst erfolgversprechend
aber in letzter Minute dann doch vergeblich, um die Trägerschaft Leverkusener
Jugendeinrichtungen, darunter das Jugendhaus Lindenhof und das Jugendzentrum
Rheindorf.
In einem öffentlichen Wohnzimmer, das ein paar Leute in einem Bayer gehörenden
Ladenlokal eingerichtet hatten, entstand etwas zufällig eine Art Vereinslokal,
das legendäre "T.t. Embargo" in der Hauptstr. 137 in Leverkusen-Wiesdorf.
Anfang 1984 wurde das Haus abgerissen. Kampflos ging es allerdings nicht
unter. Nachdem Bayer den Eingang zugemauert und den Fußboden zerstört
hatte, rissen wir die Mauer wieder ein und mauerten mit den Steinen den
Eingang des Bayer-Kaufhauses zu. Der Dielenboden wurde in einer langen
Nacht mit Brettern aus dem angrenzenden und ebenfalls zugemauerten Kino
neu verlegt, und die traditionelle Weihnachtsparty konnte ein letztes
Mal stattfinden. Aber irgendwann standen wir dann alle auf einem Schutthügel
und sahen dem Abrissbagger bei der Arbeit zu.
Antike
Februar 1984- 1987
Am 5.2. 1984 hielt der Verein eine Vollversammlung in den Räumen des
befreundeten Vereins der Arbeiter aus der Türkei am ehemaligen Freibad
in Leverkusen-Manfort ab.
Der Förder- und Trägerverein bekam das Angebot, die Räume mitzubenutzen
und nahm dieses Exil dankbar an. Ein regelmäßiger Treffpunkt etablierte
sich hier in der Folgezeit an schlechtbesuchten Freitagen, man traf sich
vor allem zu Parties und Veranstaltungen.
Die T.t.Embargo-Bücherei eröffnete am 14.2. eine Zwischenstation im Falkenhaus
in Wiesdorf und zeigte an diesem Abend zwei Filme "darüber, wie Bayer
die Wohnungsnot im In- und Ausland bekämpft."
Ihren Umzug in den türkischen -Arbeiterverein feierte die Bücherei mit
einer Bücherverbrennung und einer Büchereitaufe, wobei die Sektflasche
ganz blieb. Ihr feuchter und kalter Raum blieb hermetisch, was anziehend
und abstoßend gefunden werden konnte. Die von der Bücherei veranstaltete
Psycho-Party erschreckte viele BesucherInnen. Die gruppendynamischen Folgen
eines privaten Eifersuchtsdramas ließen den Verein wieder auf der Strasse
stehen.
Man traf sich in einer Gaststätte mit dem Namen Sehnsucht, die einer der
Kollegen aus dem Türkischen Arbeiterverein eröffnet hatte und nach einem
Jahr wieder zumachte. Anfragen an die Stadt Leverkusen führten zu nichts.
Monatelang bemühte sich der Verein um die Anmietung der Reuschenberger
Mühle, eines historischen Bauwerks in Alleinlage: hier wäre der Ort gewesen,
ein Jugend- und Kulturzentrum zu etablieren, das über Leverkusen hinaus
Anziehungskraft hätte entfalten können. Die Stadt war nicht abgeneigt,
Mietzuschüsse zu zahlen. Das Projekt scheiterte an der CDU-Fraktion im
Rat, die dem Vermieter die politische Vergangenheit des Förder- und Trägervereins
steckte. Bei einer Aktion in der Wiesdorfer City tanzten ein paar versprengte
Mitglieder der Tanzgruppe etwas verlegen vor dem Kaufhof, an kleinen Tischen
saßen Menschen im einsetzenden Regen und imaginierten das Café, das sie
gerne hätten, wenige Passanten lasen die mitgeführten Transparente, auf
denen "räume" stand.
Kurz darauf hat das Elend ein neues Zuhause.
Mittelalter und Frühe Neuzeit
1988-1996
Noch im Sommer des Jahres 1988 wurde ein Sonnenstudio mit angrenzender
Schlachterei in Wiesdorf gefunden und als neues Vereinsdomizil erklärt.
Im November 1988 eröffneten die ~räume. Eine erste Renovierungsphase
war im April 1989 beendet.
Der Verein lud zum Tanz in den Mai. Zwei Jahre später war der Umbau zum
Café mit angrenzendem Veranstaltungssaal abgeschlossen.
Mit dem 26. Kleinkunstfest begann im Frühjahr 1991 die Ära des Schweinesaals.
Nicht mitgekommen in die neuen ~räume war die Bücherei. Ihr war
ein feuchter Kellerraum zugedacht, was zum Umzug nach Köln in das Bürgerzentrum
Alte Feuerwache führte.
Die diesen Entschluss begleitenden Befürchtungen, daß sich der eigenwillige
und seltene Charakter dieser Institution, ihr typisch Leverkusener Charme,
in Köln verliert, sollte sich langfristig bestätigen.
Im Schweinesaal etablierte sich derweil ein immer munterer werdendes
Kulturprogramm. Auch als Probe ~raum war er erfolgreich: Nachwuchskabarettisten
fanden zueinander, am Ende gab es sogar ein eigenes Dominotheater.
Die Stadt war stolz auf uns. Am 1. Januar 1993 fuhr sie die Zuschüsse
auf ein Drittel herunter ("Kunst gedeiht nur in Armut").
Der Verein erstellte ein Notfinanzierungskonzept und brachte die fehlenden
Mietzuschüsse durch Spenden der Mitglieder und SympathisantInnen auf.
Auf einer Benefiz-Auktion wurden Bilder namhafter KünstlerInnen versteigert.
1994 wurden die Zuschüsse ganz gestrichen.
Ende 1995 beschloss die Jahreshauptversammlung, bei unveränderter finanzieller
Misere, die ~räume noch für ein weiteres Jahr zu mieten und dann
zum Januar 1997 zu kündigen. Die ~räume in der Hauptstr. 118, keine
100 Meter von den Gebäuden des äußersten Bayergeländes entfernt, an dessen
Stelle sich einst das T.t.Embargo befand, diese ~räume also
wurden zum dauerhaftesten Domizil, das der Verein je hatte. Schon die
Monate dauernde und kräftezehrende Renovierung ließ erkennen, daß hier
keine Provisorien errichtet werden sollten.
In den ~räumen wurde der Verein endgültig erwachsen. Er war angekommen.
Klar gab es hier, wenigstens für 2,3 Jahre auch ein Jugendzentrum. Aber
die Dienstage, an denen die ~räume zum "Themroc" der Antifa-Jugend
wurden, fanden in einem anderen Jahrzehnt statt als der Rest der Woche.
So konnte es schon wegen der Zeitdivergenz keine Selbstverwaltung geben,
ein Umstand, der noch zusätzlich durch die Entmaterialisierung der Vollversammlung
als Entscheidungsgremium verstärkt wurde.
Nicht viel besser als dem selbstverwalteten Jugendzentrum ging es dem
politischen Kommunikationszentrum räume.
Hier hatten viele der Gruppen ihren monatlichen oder wöchentlichen Treffpunkt,
die sich in dieser Stadt immer noch mit Themen wie Antirassismus, Internationalismus,
Bayer-Kritik etc. beschäftigten. Aber sie alle zusammen bildeten keine
Plattform, nicht einmal einen gemeinsamen Nenner, der größer gewesen wäre
als ein Raum. Und für Parties, für Parties war es nicht verrottet genug,
Schweinesaal hin oder her. Schön war's trotzdem, das warme Essen am Freitag,
die meistens nichtrepressive Stimmung, die Fußballweltmeisterschaftsübertragungen
und die Nächte am Kicker.
Exkurs 1:
Der Förder- und Trägerverein als Kleinkünstler
Als "Talentschmiede" blieben die räume einer im Kunst- und Kulturbereich
ehrgeizigen Stadt in etwas wehmütiger Erinnerung. Die Talente, die bei
den jeweiligen Vereinsveranstaltungen oder auch bei den Kulturveranstaltungen,
an die der Verein sich dranghängte, anfangs noch etwas verlegen ihre Öffentlichkeitswirksamkeit
ausprobierten, sind im Laufe der Jahre leiser geworden, was mit der mitunter
verblüffenden Schnelligkeit der Ausbreitung ihres Ruhms sicher nur bedingt
konvergiert.
Exkurs 2:
Unser Werk
Diskutiert wurde bei uns alles. So ist es auch nicht verwunderlich, daß
"ökologische "Themen seit den Anfängen des Vereins unsere Beachtung fanden.
Das weite Feld unseres Engagements reichte von der Foodcoop der WGs Mitte
der 70er Jahre über die Anti-AKW-Bewegung, StroBo, alternative Verkehrsplanung,
Aktionen gegen den Ausbau der Landstraße L 288n, Aktion 'Rettet den Bürgerbusch
', Smog etc. bis hin zur Auseinandersetzung mit Stadt(zerstörung) und
Bayer (eine Firma und nichts als eine Firma).
In kleinen, teilweise autonom agierenden, Arbeitsgruppen wurden die diversen
Themen inhaltlich und mehr oder minder kontinuierlich bearbeitet. Die
gewonnen Erkenntnisse, Forderungen etc. wurden von uns allen in großen
öffentlichen Aktionen publik gemacht.
Durch diese Arbeitsweise wurde eine Vielfalt von Aktionsformen entwickelt,
die sich jeweils durch ein hohes Maß an dem auszeichneten, was von einem
noch nicht multimedial verwöhnten Publikum der 70er und 80er Jahre als
"Originalität" bezeichnet werden konnte.
Das Spektrum unseres Engagements umfasste:
- sachliche Informationsveranstaltungen
- Infostände und Aktionen in der Stadt
- Ausstellungen
- Kunstaktionen
- Flugblattaktionen zur Agitation "unserer" Werktätigen
- Störungen von Ratssitzungen
- Störungen der zeitweise beliebten "Hallo Nachbar"-Aktionen "unseres"
Werks
- Demonstrationen
Grundsätzlich blieb unser Engagement nicht auf die "ökologische Alternative"
beschränkt. Unsere Aktivitäten zeichneten sich aus durch den Versuch,
die wirtschaftpolitischen, gesellschaftlichen und historischen Bezüge
offenzulegen.
BAYER HAT ZEIT, BAYER HAT ZEIT, DOCH WIR HABEN NUR UNSER LEBEN.
(Lied des Chores des Förder- und Trägervereins)
Gerade die kritische und unversöhnliche Auseinandersetzung mit Bayer
war und ist in dieser Stadt ein schwieriges Unterfangen.
In Leverkusen, einem Ort, der seinen Namen einem Firmengründer verdankt,
in der mehr als die Hälfte der Haushalte von Bayer abhängig war, wo quer
durch alle Parteien Bayervertreter saßen, konnten wir weder auf eine wohlwollende
Berichterstattung der lokalen Presse noch auf positive Reaktionen der
Bevölkerung zurückgreifen.
Also ließen wir uns bei Flugblattaktionen zum Frühschichtwechsel vor dem
Pförtner 1 mit Kommentaren begrüßen wie "Geht doch nach Drüben" (dieser
Spruch überlebte sich erst 1989) oder "bei uns kommt der Strom aus der
Dose"(nach Tschernobyl seltener verwendet), um hier nur die harmlosen
Varianten zu nennen.
In der Presse wurde unser Engagement in der Regel als sinnloser Protest
fehlgeleiteter Jugendlicher diffamiert.
Die staatliche Variante war die Kriminalisierung.
Dennoch oder gerade trotzdem waren viele unserer Aktionen geradezu innovativ
für diese Stadt und prägten lange Zeit das Bild der Auseinandersetzungen
mit "Bayer" und seinen Auswirkungen auf die Stadt(zerstörung).
Leider hat in den 90er Jahren unser diesbezügliches Engagement stark nachgelassen.
Unser "Kampf" beschränkte sich auf die Bereitstellung von Räumlichkeiten,
in denen Proteste hätten geplant werden können. Man merkte es der Stadt
an.
Auf dem Weg in die Gegenwart 1997 bis heute Irgendwann beschlossen wir,
uns auf die Suche nach neuen Räumen zu machen. Größer sollten sie sein,
vielfältiger nutzbar.
Es war eine lange Suche. 4 Jahre lang waren wir eine 'nomadische' Gruppe.
Wir organisierten weiterhin kleine und große Veranstaltungen, trafen uns
zu Planungen und Diskussionen und Festen, aber jedes Treffen und jeder
Tanz in den Mai fand an einem anderen Ort statt.
Wir hatten uns darauf eingerichtet. Unsere Gäste und BesucherInnen auch.
Die Bühne konnte jederzeit aus ihrem Garagen-Lager herausgeholt werden.
Irgendwann wurden zwei große Zelte gekauft.
2001 wurde alles anders. Der Förder- und Trägerverein wurde Mitglied
im Initiativausschuss für ein internationales, autonomes Kulturzentrum
am Rande des Bundesbahnausbesserungswerkes in Opladen.
Alles in allem....
viel Spaß beim Fortschreiben der Geschichte...
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