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ÜBER UNS - Presseübersicht 2003

Leverkusener-Anzeiger, 7.11.2003
Dunkelste Kapitel der Stadtgeschichte nicht ausgespart
Überwiegend jugendliche Zuhörer verfolgten im Kulturausbesserungswerk nachdenklich einen Vortrag über die Stadtgeschichte zwischen 1933 und 1945.

Welch große politische und soziologische Auswirkungen das Dritte Reich auch für die seinerzeit noch getrennten Städte Leverkusen und Opladen mit sich brachte, fasste ein einstündiger Vortrag zusammen, den Florian Schneider, Mitglied der Antifaschistischen Aktion Leverkusen, am Mittwochabend im Kulturausbesserungswerk vor rund 50 sehr interessierten, durchweg jungen Zuhörern hielt. Der 25-jährige Politikstudent hatte intensiv im Stadtarchiv und im Internet zum Thema "Leverkusen im Nationalsozialismus" recherchiert und dazu auch das gleichnamige Buch von Eva Wolff genutzt. Zeitzeugen waren leider nicht zugegen. Schneider stellte innerhalb seines einstündigen Referats detailliert die regionalen Besonderheiten der Zeit zwischen 1933 und 1945 dar, wobei er die allgemein bekannten Tatsachen sprachlich und inhaltlich vor allem auf das jugendliche Publikum zuschnitt. Dieses bekam zahlreiche Informationen zum Beispiel über den Wahlkampf 1933, die Konsequenzen des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, die Umbenennung von Straßen, die Gleichschaltung von Vereinen und Verbänden oder etwa die Durchforstung örtlicher Büchereien nach nicht nazi-konformer Literatur.

Weitere Veranstaltungen

Auch die dunkelsten Kapitel deutscher Historie - Arisierung, Judenverfolgung und Behinderten-Deportationen - wurden nicht ausgespart. Ein weiteres, für Leverkusen speziell aufzuarbeitendes Thema ist Zwangsarbeit, da in großen Unternehmen wie IG Farben und Reichsbahnausbesserungswerk eine Vielzahl gefangener West- und Ostarbeiter beschäftigt waren. Auch der Brand der Synagoge in der Opladener Altstadtstraße in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 ist ein beklagenswertes Datum der Stadtgeschichte. Im Umfeld des Jahrestages dieses Pogroms werden in den nächsten Tagen im Kulturausbesserungswerk weitere Gedenk- und Informationsveranstaltungen stattfinden. Darüber hinaus ist für den 9. November eine antifaschistische Demonstration in der Opladener Bahnhofstraße geplant.
Bernd Neumann


Leverkusener-Anzeiger, 6.November 2003 Holocaust-Überlebende
Am Samstag kommt Esther Béjarano in das Kulturausbesserungswerk.

Das Mädchenorchester, das die SS im Konzentrationslager Auschwitz aufspielen ließ, war ein "teuflisches" Instrument: Es sollte die Häftlinge auf dem Weg ins Gas und damit in den Tod beruhigen und täuschen. Eine der Überlebenden des Terror-Regimes ist Esther Béjarano, die in dem Orchester das Akkordeon spielte. Nach der Befreiung ging sie nach Palästina, kehrte 1960 nach Deutschland zurück. Die heute 80-Jährige ist eine gefragte Interpretin antifaschistischer Lieder und schlägt als Betroffene eine Brücke zwischen Vergangenheitsbewältigung und zukunftsgerichteter Aufklärung. Am Samstagabend tritt Esther Béjarano zusammen mit der Gruppe Coincidence im Kulturausbesserungswerk in der Kolbergerstraße in Opladen auf. Begleitet wird sie von ihren Kindern Joram und Edna. Joram spielt Cello, Edna Béjarano sang ehemals bei der Rockgruppe Rattles. Die Spannweite reicht von Klassik über Folklore und Pop bis zum Jazz. Als ausgebildete Koloratursopranistin singt Esther Béjarano überwiegend jiddische und hebräische Lieder. Im deutschsprachigen Bereich interpretiert sie Lieder von Brecht, Eisler und Tucholsky. Coincidene mit Esther & Edna Béjarano: Samstag, 8. November, 20 Uhr im Kulturausbesserungswerk Opladen.
Einlass ist ab 19 Uhr. Der Eintritt im Vorverkauf kostet 8 / 5 Euro an der Abendkasse 10 / 7 Euro. Jan Sting


Leverkusener Anzeiger, 6.November 2003
"Rechts um und ab durch die Mitte"
Rund um den Jahrestag der Reichspogromnacht 1938 bietet das Kulturausbesserungswerk einige Veranstaltungen an.

In der Nacht zu Sonntag, 9. November, jährt sich die Reichspogromnacht zum 65. Mal. Die Antifaschistische Aktion Leverkusen will deutlich machen, dass auch Leverkusen seinen festen Platz in der Nazi-Diktatur hatte und auch hier die Synagoge brannte und Menschen verfolgt worden sind. Begleitet werden die Veranstaltungen von der Ausstellung "Rechts um und ab durch die Mitte", die ab Sonntag, 9. November, bis Sonntag, 23., mittwochs bis freitags, 17 bis 19 Uhr, sowie sonntags, 12 bis 17 Uhr, zu sehen ist. Auf 42 Tafeln werden Entwicklung, Organisation und Struktur der extremen Rechten in Deutschland dargestellt. Die Ausstellung will helfen, rechte Tendenzen zu erkennen, und zu einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit den Ursachen und Hintergründen rechtsextremistischer Ideologien beitragen. Spezielle Öffnungszeiten für Schulklassen bietet das Kulturausbesserungswerk an. Montag, 10. November, ist eine Diskussionsveranstaltung zum Thema "Neonazis auf dem Vormarsch?" geplant. Dazu ist ein Mitarbeiter des "Antirassistischen Bildungsforums Rheinland" eingeladen, der zunächst ab 20 Uhr einen Diavortrag im Kulturausbesserungswerk, Kolberger Straße 95a, zeigen wird.
Jörg Oberwittler


Leverkusener-Anzeiger, 9.Oktober 2003
...und da gab's doch mal einen Partykeller
Bei einem "Hearing" im Jugendhaus Bunker wurde über die freie Leverkusener Musikszene diskutiert.

Wird im Forum ein "verschütteter" Raum demnächst wieder "ausgegraben" und für Rock-Veranstaltungen genutzt? Dies könnten eines der möglichen Ergebnisse des Hearings sein, das die Arbeitsgemeinschaft Rockmusik (Aro) Leverkusen im Jugendzentrum Bunker an der Dr.-August-Blank-Straße in Wiesdorf ausgerichtet hat. Rund 50 Vertreter aus Politik, freier Musikszene und Stadtverwaltung hatten sich auf Einladung von Aro-Sprecher Reiner Hilken zusammengefunden, um die Probleme der durchaus lebendigen Leverkusener Szene zu diskutieren.
Schnell wurde klar, wo der Schuh drückt: Es mangelt an Proberäumen, an Veranstaltungsorten und an Werbemöglichkeiten. Erhard Schoofs von der Bürgerliste lieferte zu allen Punkten Beiträge: Proberäume stünden zeitweise in der Gesamtschule Rheindorf zur Verfügung und für die Werbung könnten die Initiatoren doch preiswert Werbewände errichten, die an festen Punkten in der Stadt stehen könnten. Allerdings müsste dann auch wilder Plakatierung Einhalt geboten werden.
Sein wichtigster Vorschlag betrifft aber mögliche Veranstaltungsorte, und da scheint es, sitzt die "KulturStadt Leverkusen" regelrecht auf einem geeigneten Spielort: Schoofs erinnerte sich nämlich einer Disco, die noch zu seiner Jugendzeit in einem Raum im Keller des Forums, der alle notwendigen Voraussetzungen für einen solchen Spielort erfüllen könnte, stattfand. "Jetzt steht da jede Menge Müll rum, aber man sollte sich das mal genauer ansehen, empfahl er. Auch Hilken erinnerte sich dieses Partykellers und Brigitte von Bonin von den Leverkusener Grünen dämmerte es ebenfalls. Anke Spiegel, die Leiterin des KulturBüros, versprach dann auch - selbst überrascht -, sich zu erkundigen, ob diese Wiederentdeckungen genutzt werden könnten. Nach weiteren Räumen, sowohl zum Proben als auch für Auftritte, wird zusätzlich gefahndet. Und für die notwendige Werbung könnte eine neue Internet-Seite eingerichtet werden.
Timo Glatz vom Kulturausbesserungswerk erläuterte, dass auch dort die Probe- Möglichkeiten bestünden, derzeit aber noch abgewartet werden müsse, ob das Kulturausbesserungswerk weiterhin bestehen kann. Von der Notwendigkeit, diese Räume zu erhalten, zeigten sich alle Anwesenden einhellig überzeugt und riefen dazu auf, die dort entstehende Einrichtung auf jede mögliche Weise zu unterstützen. Von Bonin forderte in diesem Zusammenhang auf, politischen Druck auszuüben, stünden die Chancen für den Erhalt doch "gerade mal fifty-fifty". Sie betonte aber auch, dass in dieser Frage im Rat der Stadt (seltene) Einstimmigkeit herrsche.
Einigkeit herrschte auch in puncto Leverkusener Stadtmarketing: Man hätte diesem besser weniger Mitarbeiter (es sind insgesamt sechs), aber dafür mehr Geld mitgegeben. So sei diese grundsätzlich sinnvolle Einrichtung zwangsläufig zum "Trockenschwimmen" gezwungen. Dennoch sprüht trotz leeren Stadtsäckels im Hinblick auf die anstehende Landesgartenschau Optimismus: Die Mitglieder der Szene versprechen sich bessere Auftrittsmöglichkeiten, sollen doch auf dem Gelände am Rhein auch zwei Bühnen für 1500 und 8000 Zuschauer eingerichtet werden und auch über 2006 hinaus nutzbar sein. In diesem Zusammenhang wurde der Wunsch nach größeren Events für die Rockszene oder auch Newcomer-Wettbewerben laut. Ein Vertreter der Verkehrsbetriebe Wupper-Sieg schlug vor, Sponsoren einzubinden. So ein Bündnis könnte Infrastruktur und finanzielle Lage der Musikszene nachhaltig verbessern. Um alle diese Aufgaben in Zukunft zu bündeln, werde die Aro in Kürze als eingetragener Verein angemeldet, kündigte Hilken an. Neue Mitglieder und Ideen seien willkommen: "Teilnahme unbedingt erwünscht!"
Stefan Andres


Leverkusener-Anzeiger, 17.09.2003
Die Gruppe hat einen Namen
"W.-erk-theater" hat sich das Ensemble im Kulturausbesserungswerk getauft.

Noch nie von dem bedeutenden Schriftsteller Wladimir Erk gehört? Nein? Dann wird es höchste Zeit, denn nichts Genaues weiß man von diesem Theatermann nicht. Am Ende hat er gar nicht gelebt? Nur soviel: Das Ensemble aus Schauspielern, Tänzern, Kabarettisten, das im Opladener Kulturausbesserungswerk seine Heimstatt gefunden hat, hat sich in Anspielung an die Wirkungsstätte den Namen eines virtuellen Autors gegeben: Als "W.-erk-theater" wird die Gruppe um Regisseurin Petra Clemens heute Mittwoch, 17. September, um 20 Uhr im Bistro der ehemaligen Industriehalle die szenische Lesung von Horrorgeschichten und -gedichten wiederholen, die bereits während der Lev-liest-Woche für wohligen Grusel gesorgt hatte. Neueste biographische Erkenntnisse aus dem Leben Wladimir Erks bekannt gegeben. In unterschiedlichen Besetzungen hat das Ensemble die Stücke "Solingen", "Radio noir" und "Schwanensee" aufgeführt. Einen festen Stamm hat die Gruppe nicht. Sie setzt sich je nach Bedarf und Interesse aus Mitgliedern des Jungen Theaters Leverkusen und des Matchboxtheaters zusammen. Und weil die Ironie zu vielen Projekten gehört, probt die Improvisationsgruppe unter dem Namen "Hüpfratten" - weils' die "Springmäuse" schon gibt. In Bonn.
Ingeborg Schwenke-Runkel


Leverkusener-Anzeiger, 23.August 2003
Eine These und viele Angriffe
"Bayer und Krieg": Unter dieser Überschrift sprach Axel Köhler- Schnura im Kulturausbesserungswerk über das Unternehmen.

Angekündigt waren schlagende Beweise für die These, dass der Konzern ein vitales Interesse an Kriegen hatte und hat - am Ende fragte eine Zuhörerin im Opladener Kulturausbesserungswerk: "Was hat Bayer denn nun davon, wenn im Kongo Bürgerkrieg ist?" Zuvor hatte Axel Köhler-Schnura, Gründungsmitglied der "Coordination gegen Bayer- Gefahren", das Handeln des Konzerns im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen dargestellt. Der Bayer-Gegner erwähnte Carl Duisbergs Idee von der Gleichschaltung der deutschen Chemieindustrie in der IG Farben und wies darauf hin, dass "der Bayer-Konzern die erste chemische Waffe der Welt entwickelt" habe. Die Rolle des Unternehmens in beiden Weltkriegen sowie die Produktion des dioxinhaltigen Entlaubungsmittels Agent Orange, das im Vietnamkrieg versprüht wurde, prangerte Köhler-Schnura an und behauptete, dass der wichtigste Wirkstoff neuer chemischer Waffen ein Bayer-Patent sei: Der Phosphorsäureester VX gehört zur Gruppe der Pflanzenschutzmittel. Daraus und aus der Tatsache, dass Bayer einer der größten Produzenten von Pflanzenschutzmitteln ist, folgerte Köhler-Schnura: "Man kann davon ausgehen, dass der Bayer-Konzern Weltmarktführer bei den chemischen Waffen ist." Ebenso kritisch sah er, dass Bayers Tochterfirma H.C. Starck einer der größten Abnehmer des Rohstoffs Tantal ist, der hauptsächlich im Kongo vorkommt. Um billig an den Stoff zu kommen, habe Bayer ein Interesse am Bürgerkrieg in dem Land. Eine schlüssige Erklärung lieferte Köhler-Schnura nicht.
Thomas Käding


Leverkusener-Anzeiger, 22.Juli 2003
Abrechnung mit Amerika
Sechs Sprecher präsentierten Michael Moores Bestseller im Kulturausbesserungswerk.

Dumme weiße Männer, "stupid white men" hat Autor Michael Moore als Ursache für das Böse in der Welt ausgemacht. Seine Logik ist simpel: Noch nie habe ihm ein schwarzer Autohändler "eine Schrottgurke" angedreht. Noch nie sei er von einem schwarzen Vermieter um die Kaution geprellt worden. Als Kronzeugen des bösen Weißen führt Moore US-Präsident George W. Bush an. Der habe schließlich Wahlen gefälscht, Kriege angezettelt und Menschenrechte verletzt.

Die Kölner Journalistin und Künstlerin Gabriele Gillen hat den Sachbuchbestseller für die Bühne aufbereitet. In einer szenischen Lesung mit Musik- und Spracheinspielungen präsentierten Wilfried Schmickler, Klaus Huber, Wolfgang Müller-Schlesinger, Ruth Schiffer, Gisela Oechelhaeuser und Elisabeth Clarke-Hasters Moores Abrechnung mit Amerika und seiner Führung. Gillen hat Moores Enthüllungen mit Parallelen aus Deutschland gespickt. So stellte Gisela Oechelhaeuser in näselnd sächsischem Dialekt fest, dass die Gesetze eines personalisierten Wahlkampfes, bei dem besser aussehende Politiker gewinnt, längst gelten. Geschickt verstanden es die Sprecher mal mit feiner Ironie, mal überheblich dozierend den Zuhörer mit auf die Reise durch das Land der Freiheit zu nehmen, dessen drei reichste Bewohner mehr besitzen als die 60 ärmsten Völker der Welt, in dem die meisten Vergewaltigungen angezeigt werden und die niedrigste Wahlbeteiligung gezählt wird. Einspielungen wie Martin Luthers "I have a dream" entlarvten die Scheinheiligkeit amerikanischen Denkens. Allein die Hitze und die Überlänge der Lesung erschwerten die Konzentration der Zuschauer.

Am Ende schwirrten so viele abstruse Zahlen, Statistiken und enttarnte Seilschaften durch die Köpfe der Zuhörer, dass sich das blanke Entsetzen in schallendem Gelächter entlud. "Das Lachen ist nun mal die Waffe der Kabarettistin", sagte Oechelhaeuser. Mit der Aufforderung zum Handeln wurden die Zuschauer entlassen: "Nutzt eure Macht, wenn ihr etwas besseres verdient - macht euch nützlich!"
Christian Voss


Leverkusener-Anzeiger, 7.Juli 2003
"Das tut mir in der Seele weh"
Matthias Ehrle hat den Kampf um das Opladener Ausbesserungswerk mit Fotos dokumentiert.

Matthias Ehrle, Bahnwerker des Opladener Ausbesserungswerks, ringt mit der neuen Situation: "Man kann auch dann verlieren, wenn man fünf Millimeter vor dem Ziel steht", sagt der Betriebsrat. Bis vor wenigen Tagen war Ehrle noch im Hungerstreik, um für den Erhalt des Werks und der Arbeitsplätze zu kämpfen. Seit Freitag weiß er: Er nutzte nichts.

Ehrle schaut auf seine Bilder, die bis Donnerstag, 17. Juli, im Kulturausbesserungswerk an der Kolberger Straße 95 a zu sehen sind. Doch während der Eröffnungsmatinee am Sonntag redet Ehrle nicht wie ein Künstler, der einen Zyklus nun abgeschlossen hat, um ihn der Öffentlichkeit zu zeigen. Er wartet nicht auf Lob und Bestätigung. Nichts kann das den Verlust des Arbeitsplatzes wettmachen.
Ehrles Frau hat den Fotozyklus, der den zwei Jahre dauernden Kampf um das Werk dokumentiert, vergangene Woche gerahmt. Währenddessen versuchten Ehrle und seine Kollegen mit dem äußersten körperlichen Einsatz, dem Hungerstreik, eine Wende herbei zu führen. Doch nachdem der Betriebsratsvorsitzende Kuno Dreschmann am Freitag das endgültige Aus zum Jahresende verkündete, haben alle den Hungerstreik beendet. Noch sind die Erlebnisse nicht verarbeitet. In der Halle, in der die Fotos ausgestellt sind, finden sich immer neue Gesprächskreise. Zorn macht sich breit und Traurigkeit darüber, auf der Verliererseite zu stehen, obwohl es Perspektiven genug gegeben hätte.

"Mir tut das alles in der Seele weh", sagt Ehrles Vater Walter. Der Senior aus Manfort hat mit dem Sohn demonstriert. "Ich habe vor 34 Jahren meine damalige Arbeit in Solingen verloren. Ich weiß, wie schwer es ist, von vorne anfangen zu müssen." Wütend ist Walter Ehrle vor allem auf die Politiker: "Die fahren nach China und feiern dort in Saus und Braus die Einweihung einer neuen Bahn. Und hier zieht es den kleinen Mann immer weiter nach unten." Sein Sohn Matthias ist skeptisch, dass er bei der Bahn anderweitig unterkommen kann.
Einige der bis zuletzt im Hungerstreik Protestierenden kamen zur Fotoschau-Eröffnung, doch Obstkuchen und Salzstangen blieben liegen. Die Stimmung machten keinen Appetit. Die Fotos zeugen vom Überlebenskampf, zeigen in chronologischer Reihenfolge die gut durchdachte Organisation. Flammende Appelle stehen auf den Schildern und Bannern. Alles wurde von einem Tag auf den anderen bittere Vergangenheit.
Während vor zwei Jahren noch die Diskussionen in den Pausenräumen zwischen Trennwänden und Spinden stattfanden, waren es zuletzt Aufmärsche. Ketten, mit denen sich die Hungerstreikenden an Tore banden, Holzkreuze oder das Zelt auf dem Rathausvorplatz für die Mahnwache sind auf Ehrles Schwarzweißfotos zu sehen. Auch Wirtschaftsminister Clement (SPD), den die Demonstrierenden aus Opladen bei einem Besuch des Landschaftsverbands in Köln-Deutz abfingen. Im Vordergrund ist ein mit Bodendeckern bepflanztes Beet zu sehen - wie auf dem Friedhof.
Jan Sting


Leverkusener-Anzeiger, 28.Juni 2003
Morbide Phantasien
Todessehnsucht als Ausweg aus der Spießigkeit: Albert Ostermaiers "Radio Noir" feierte Premiere.

Zu einem passenderen Zeitpunkt hätte die Premiere für Albert Ostermaiers "Radio Noir" im Kulturausbesserungswerk nicht stattfinden können. Erst am vergangenen Mittwoch wurde bekannt, dass der 35 Jahre alte Autor demnächst mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet wird. Am Freitag feierte das Stück, das die Leverkusenerin Petra Clemens für Anne Schröder in Szene gesetzt hat, Premiere im Kulturausbesserungswerk. Mal lasziv-verführerisch, mal trotzig-wütend transportierte die 21 Jahre alte Schauspielerin aus Köln Ostermaiers morbide Phantasien auf die Bühne.
In drastischen Worten und mit Hilfe effektvoller Videoeinspielungen drückte Schröder ihre Auflehnung gegen "die Diktatur der Angepassten" aus. Sex, Gewalt, Drogen und Kriminalität sind ihre Welt. So sehr Ostmaiers Sprachstil aus jugendlichem Deutsch-Englisch und zotiger Vulgärsprache aufrüttelte, so sehr nutzt er sich durch dauerhaften Einsatz ab. Einziger Ausweg aus der spießigen Verlogenheit scheint der kollektive Selbstmord zu sein. "Shoot me - erschieß mich", schrieb die Akteurin am Ende auf ihre nackte Brust. Mit einer Pistole in der Hand verließ sie die Bühne. Der erwartete Schuss blieb indes aus. "Das wäre übertrieben. Die Szene muss auch so verstanden werden", meinte die Mimin.
Christian Voss


Leverkusener Anzeiger, 21.Juni 2003
Freunde trauerten um den Freund
Trauerfeier für den Kabarettisten Johannes Boddenberg im Kulturausbesserungswerk.

Im Gedenken an den in der Nacht zum 7. Juni unerwartet verstorbenen Leverkusener Kabarettisten Johannes Boddenberg hatten sich am Donnerstagabend rund 200 Freunde und Künstlerkollegen im Opladener Kulturausbesserungswerk versammelt, um des Toten in einer Trauerfeier zu gedenken. "Jobo" oder "Hannes", wie er von den Weggefährten genannt wurde, war nicht nur ein fester Bestandteil der Leverkusener Kulturszene, sondern auch politisch in bemerkenswerter Weise aktiv. So war er ein Grüner der ersten Stunde, gehörte dem Vorstand des Fördervereins Freie Jugendzentren an und organisierte im Karneval die Kult-Veranstaltung "Leverkusens kleinste Sitzung". Wolfgang Müller-Schlesinger, Freund und Kabarett-Kollege, würdigte sichtlich bewegt das Lebenswerk und die Persönlichkeit Johannes Boddenbergs. Ohne falsche, zur Schau gestellte Betroffenheit und sicherlich im Sinne des Verstorbenen inszenierten anschließend viele der Trauergäste, unter ihnen die Gruppe Ars Vitalis, ein kleines Memorial-Programm aus musikalischen Darbietungen und literarischen Lesungen. Besonders anrührend geriet das Lied "Wir segeln auf der Bevertalsperre", eine von Johannes Boddenberg eingedeutschte Version des Welthits "Sailing" von Sutherland Brothers & Quiver. In mehreren Gedenkreden klang nicht nur Wehmut an, sondern wurde auch an liebenswürdige menschliche Schwächen Johannes Boddenbergs erinnert. Es mag vielleicht die beste Beschreibung seines Charakters sein, dass er als Fußball- Schiedsrichter nach heftigen Protesten der betroffenen Mannschaft auch mal einen bereits verhängten Freistoß wieder zurück genommen hat.
Bernd Neumann


Leverkusener Anzeiger, 10.Juni 2003
Johannes Boddenberg ist tot

"Der Tod von Johannes Boddenberg reißt nicht nur ein tiefes Loch in die Herzen der Menschen, die ihn gekannt haben, sondern auch in die politische und kulturelle Szene der Stadt." So formulierte es Wolfgang Müller-Schlesinger, als er gestern, Pfingstmontag, den unvorhergesehenen Tod seines Kabarett- Kollegen bekannt gab. In der Nacht zu Samstag ist Johannes Boddenberg an Herzversagen im Alter von 48 Jahren gestorben. Er war nicht krank. Johannes Boddenberg setzte sich nicht nur für Jugendliche, sondern auch für sozial Benachteiligte ein. Diese Fürsorge war Teil seiner vielen Kabarett-Programme. Er gehörte dem Vorstand des Fördervereins Freie Jugendzentren an und arbeitete im Kulturausbesserungswerk mit. Zu Karneval legte er "Leverkusens kleinste Sitzung" auf. Sie hatte Kultstatus.
(isr)


Leverkusener-Anzeiger, 14.Mai 2003
Beklemmend und bedrückend
Die Dokumentation zum Genozid an litauischen Juden ist im Kulturausbesserungswerk zu sehen.

Beklemmend, bedrückend und bewegend. Das ist der Eindruck. Die Fensternischen im Kulturausbesserungswerk, in denen Porträts von Überlebenden aus dem Ghetto der Stadt Kaunas hängen, wirken wie offene Gefängniszellen. Der blätternde Putz und das diffuse Licht in der ehemaligen Bahn- Werkshalle verstärken die Wirkung der Dokumentation: "Sage nie, du gehst den letzten Weg - der Genozid an den litauischen Juden 1941-44."
Aufbruch und Abbruch vermittelt die Halle gleichermaßen. Ihr bröckelnder Charme macht während der kulturellen Veranstaltungsreihe Kabarett- oder Theaterabende zum besonderen Ereignis. Jetzt, während der Ausstellung, scheint der Ort Teil derselben geworden zu sein. Die Form entspricht dem Inhalt. Zu wissen, dass die eindrucksvollen Porträts des Fotografen Antans Sutkus Gesichter von Menschen zeigen, die dem Holocaust entkamen, tröstet, denn die Texttafeln und die Fotos von Gefängnissen, Vernichtungs- und Hinrichtungsstätten erschrecken genug. Bis zum Jahresende 1941 wurden in Wilna, dem "Jerusalem des Osten", über 33 000 Juden ermordet. Im Ghetto sollten 12 000 Menschen für die nationalsozialistische Kriegswirtschaft arbeiten. Um überleben zu können, war Schmuggel unerlässlich. Der Judenrat organisierte und verteilte zusätzliche Lebensmittel. 125 Gramm Brot pro Person täglich, 80 Gramm Graupen, 50 Gramm Zucker, 50 Sonnenblumenöl wöchentlich. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Das Ghetto wurde 1943 von den Nationalsozialisten ausgelöscht. Einige hundert Überlebende flohen, sie versteckten sich in Wäldern und unterstützten die Rote Armee 1944 bei der Befreiung Wilnas.
Cordula Lissner, Historikerin und ehrenamtlich für das Kulturausbesserungswerk tätig, lernte Sima Skarkovitz kennen. Die Überlebende des Ghettos hat ein Buch über ihre Lebensgeschichte veröffentlicht. Diese eindrucksvolle Frau löste den Wunsch aus, die Ausstellung ins Kulturausbesserungswerk zu holen. Mit der Organisatorin der Dokumentation, der Musikerin Roswitha Dasch aus Wuppertal, war sie rasch einig: die Wanderausstellung muss nach Opladen. Ein kluger Entschluss.
Ingeborg Schwenke-Runkel


Rheinische Post, 3.Mai 2003
Ein strapaziöser Abend für das Zwerchfell
Kabarett und Tanz in den Mai kombiniert

OPLADEN. "Kabarett und Tanz in den Mai" - diese zunächst eigenwillig anmutende Kombination hat sich längst bewährt, Die gleichnamige Veranstaltung des Förder- & Trägervereins freie Jugend- und Kulturzentren begeisterte auch bei ihrer siebten Auflage. Bereits zum zweiten Mal konnte sie nun im Kulturausbesserungswerk stattfinden. Exakt 199 Besucher finden dort Platz. "Wir hätten mehr als das Dreifache dessen an Karten verkaufen können", freute sich der Vereinsvorsitzende Uwe Stracke.

Hoffnung für die Zukunft

Das Heimspiel erspart den ehrenamtlichen Helfern eine Menge Arbeit. Die Ausrüstung muss nicht wie in der Vergangenheit erst zum Veranstaltungsort gebracht und aufgebaut werden. Von der Zukunft versprechen sich Stracke und seine Mitstreiter viel. Sie möchten den Raum im Kulturausbesserungswerk zu einem Veranstaltungssaal mit moderner Technik ausbauen. Dazu sind jedoch Landeszuschüsse dringend erforderlich. Und die kann es erst geben, wenn der Verein einen längerfristigen Mietvertrag bekommt.

Die beiden Kabarett-Blöcke zu Beginn der Veranstaltung waren ganz nach dem Geschmack des Publikums. Sie lachten lauthals über die Gruppe "Buschtrommel" aus Münster. Das Trio gab die kauzigen Mitglieder der "Rentner-Armee-Fraktion RAF", die sich den Kampf gegen Politiker auf ihre Fahnen geschrieben hat.

Chaos im Kaufhaus

Auch Ralf Schmitz vom Bonner Springmaus-Ensemble wagte einen überaus erfolgreichen Angriff auf die Lachmuskeln der Besucher. Der angehende TV-Comedian kämpfte sich auf der Bühne wacker und gestenreich durch ein Kaufhaus kurz vor Ladenschluss. Bereits ein alter Hase in Sachen Fernsehen ist Wilfried Schmickler, der längst nicht nur Fans der "Mitternachtsspitzen" ein Begriff ist. Die Moderatoren Johannes Boddenberg und Wolfgang Müller-Schlesinger, die Lokalmatadoren Michael Meierjohann und Berthold Kastner, Mark Welte, Robert Grieß, Birgit Pacht von "Mamma Grappa" und das schlagfertige Frauenkabarett-Duo Ruth Schiffer und Barbara Beckmann komplettierten den Kabarett-Teil des Abends. Anschließend wurde die Veranstaltung jedoch auch dem zweiten Teil ihres Namens gerecht. Die 199 Besucher dehnten den Tanz in den Mai bis in die frühen Morgenstunden aus.
Tobias Krell


Leverkusener Anzeiger, 3.Mai 2003
Die Walpurgisnacht - Tanz in den Mai

(...)
Im Opladener Kulturausbesserungswerk bewährte sich zum siebten Mal die Mischung aus Kleinkunst und anschließendem Tanz in den Mai. 200 Gäste waren gekommen, um den kauzigen Politiktiraden des Trios "Buschtrommel" oder Mark Weltes Welt zuzuhören. Mitorganisator und Kabarettist Wolfgang Müller-Schlesinger wunderte sich allerdings ein bisschen über seine Gäste. Die ganz jungen saßen im Café und hörten die Schmankerlmusik von Harald Schuwerak am Keyboard, während die älteren im Ausbesserungswerk eine heiße Sohle hinlegten.
(JAN)


Leverkusener Anzeiger, 3.Mai 2003
Gar schauerliches aus der Gruft
Gespenstig ging es bei der Horror-Lesung im Leverkusener Shadow zu.

"Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an...": Im Rahmen der Aktion "Lev liest" hatte die Theatergruppe des Kulturausbesserungswerkes in Zusammenarbeit mit dem Jungen Theater und dem Matchbox Theater den "düsteren Abend" organisiert. Gegen 20Uhr eröffnete Anne Schröder mit ihrer Lesung "Der Erlkönig" von Johann Wolfgang von Goethe die Veranstaltung. Für die richtige Gänsehaut-Stimmung sorgte vor allem das aufwändige Drumherum. Skelette baumelten von der Decke. Spinnweben kitzelten, ließen die Haare zu Berge stehen. Die Beleuchtung war auf ein paar Kerzen reduziert: Schummerbeleuchtung mit Gruselwirkung.
Geräusche, Nebel und leise Hintergrundmusik unterstützten die szenischen Darbietungen mit Schauder-Effekten. Zudem gab es kleine Videoinstallationen und einen Kurzfilm. Unterstrichen wurden alle Darbietungen von dem auffälligen Kostümen und dem "blutigen" Makeup der sieben Schauspieler. Es folgten Stücke von Richard Laymon, Sirmione Zinth und Richard Chase. Gegen 21Uhr hieß es: "Das Horror-Büffet ist eröffnet".
In der 15-minütigen Pause konnte sich jeder mit Nervennahrung stärken, dem beim Anblick von Totenköpfen und Fledermäusen nicht der Appetit vergangen war. Anschließend las Markus Cichowicz "Luzifer" von E.C. Tubb, gefolgt von "Peterles Rückkehr" gelesen von Claudia Konkel. Der Höhepunkt und damit auch der Abschluss des Abends war "Die Wochenfrau" von Kim Newman. An dieser Darbietung waren noch einmal alle sieben Schauspieler beteiligt. Agid Jumpertz, Mitorganisatorin der Aktion "Lev liest" fand den Abend gelungen. Er sei kein Vergleich, ein Buch nur vorgelesen zu bekommen. Von der Kulisse und der Inszenierung sei sie "echt begeistert". Nach der Lesung konnten die rund 20Besucher auf der anschließenden Party mit
DJ T feiern.
(sbr)


Leverkusener Anzeiger, 28.April 2003
Blödsinn der Superklasse mit passend
verquerer Logik

"Weltes Welt", das erste Soloprogramm des Leverkusener Kabarettisten Mark Welte, gab als verblüffend-ironisches Selbstgespräch weit reichende Einblicke in persönliche Alltagsnöte.

Im Prinzip ist die Welt von Mark Welte in Ordnung. Nun gut, sie ist nicht besonders organisiert, weitgehend frei von bürgerlichen Zwängen und überhaupt. Aber im Prinzip funktionierts. In einem bemerkenswert subtilen Selbstgespräch verdeutlicht der 1970 in Wiesdorf geborene, mittlerweile nach Köln ausgewanderte Kabarettist und Schauspieler Mark Welte am Freitagabend im intimen Rahmen des Opladener Kulturausbesserungswerks einem zum genauen Hinhören angehaltenen Publikum seine Befindlichkeiten. Zum Schießen komisch und mit intelektuell-forderndem Wortwitz präsentierte er "Weltes Welt", in der scheinbar leicht zu bewältigende Probleme des Alltags einen neuen Dreh bekommen. Bereits im Vorfeld der Stand up-Comedy-Darbietung wurde deutlich, wie wichtig zum erfolgreichen Gelingen eines solchen Abends das konforme Verhalten des Publikums ist. Generell gilt: Während der Vorstellung wird nicht geangelt. Darüber hinaus ist Vertretern sektiererischer Gruppen wie Scientology, Zeugen Jehovas oder CSU grundsätzlich nicht gestattet, im Verlauf der Veranstaltung neue Mitglieder zu werben. Reformatoren wurden gebeten, mit dem Annageln von Thesen bis zur Pause zu warten. Mark Welte scheute sich nicht, neben zentralen Leitgedanken wie "Wo kommt das Chaos in meinem Leben her?Trinke ich zuviel?" auch spezielle Traumata seiner Kindheit zu erörtern, zum Beispiel seine Angst vor Schafen. Umso erfreulicher zu hören, dass ein besonders hartnäckiges Exemplar der ansonsten gutmütigen Tiergattung, das ihn jahrelang extrem quälte, schließlich an seinen eigenen Unzulänglichkeiten scheiterte: es hat Angst vor Thermodrucker-Papier. So einfach lösen sich manchmal Probleme.

Intelligente Wortspiele

In Weltes Welt einzudringen, ist für jeden Zuhörer ein Erlebnis. Auch wenn die intelligenten Wortspiele und die Fülle oder der schnelle Ablauf der Gags dem Auditorium höchste Konzentration abverlangt. Es ist ein Super-Blödsinn mit teils sehr verquerer Logik. Der 33-jährige Kabarettist, der seine Texte übrigens - und das ist nicht branchenüblich - alle selbst schreibt und zudem auch für andere Fernsehschaffende zur Feder greift, hat mit Sicherheit das Zeug, sich in Bundesliga der deutschen Comedians zu spielen.
Bernd Neumann



Leverkusener Anzeiger, 23.April 2003
Rasende Wut auf "das System"
Autonome Gäste im Autonomen Zentrum:
Die Projektgruppe "Revolte Springen" brachte Polittheater ins Opladener Kulturausbesserungswerk.

Das das Poster "Macht macht kaputt", das man dem paranoiden Despoten kurz nach seiner Kriegserklärung hinterrücks montiert hatte, schon Sekunden später wieder abfiel, hätte dessen Aalglätte symbolisieren können. Vielleicht war´s aber auch nur schlechter Kleber. Auch das wäre symbolisch gewesen. "Revolte Springen" sieht sicht als Projekt von Leuten, die Musik und Theater machen, als einen Haufen von individualistischen Chaoten, der sich in der außerparlamentarischen Linken zu Hause fühlt. Ihre oft ratlose Wut gegen alles mögliche, vor allem aber "Das System" artikulieren sie jetzt in einem Musiktheater-Suspektakel.
"Freiheit Satt" heisst der Mix aus Songs, Texten und Musik, mit dem sie zurzeit durch die Republik tingeln, um Gleichgesinnte zu treffen. Viel Arbeit und Engagement haben sie in das Projekt gesteckt, und das Ergebnis ist zwiespältig. Der rote Faden, der in den Stoff gewebt wurde, ist bewährt. Das kann man nachlesen bei Kafka, Orwell, Brecht und anderen. Die Verarbeitung des Stoffes erfolgte allerdings nicht mit feiner Nadel, sondern mit dem Säbel. Aber vielleicht muss man Polittheater, Zielgruppen-orientiert, eben mit groben Werkzeug machen, wenn dem dann gelegentlich auch pfiffig ausgedachte Metaphern zum Opfer fallen. Schriller Klamauk zwischendurch kann weder wirklich befreiendes Lachen ersetzen, noch die Spannung steigern. Allerdings: Regie und Bühnenbild schienen durchaus die Handschrift von Profis zu tragen und die Live-Musik verdiente ein Sonderlob. Sowohl die Ideen zur musikalischen Gestaltung wie auch die Umsetzung an den Instrumenten machte uneingeschränkt Freude.
Die Darstellerinnen und Darsteller gefielen dem Publikum in der lustvollen Überzeichnung von Hauptrollen und Nebenfiguren. Im Gegensatz zu den tragischen Ausgängen der literarischen Vorlagen endet "Freiheit Satt" mit einem positiven Ansatz: Der Held überlebt und befreit sich vom "System" und zwei Illegale verkünden im Duett, dass sie sich auch weiterhin mit Protesten (und Diskussionen?) engagieren wollen. Wenn das nicht Anlass zur Hoffnung gibt!
Klaus Winterberg


Leverkusener-Anzeiger, 5.April 2003
Frieden in hundert Sprachen
Der Friedenskreis will das Rathaus mit Stofftüchern beflaggen. In über hundert Sprachen soll ein Wort ein Zeichen setzen: Frieden. Bürger sollen mitmachen.

"Eiphnh" steht auf dem obersten Zettel des Stapels, der vor dem Vorsitzenden des Ausländerbeirats Jannis Goudoulakis liegt. Das ist griechisch und bedeutet Frieden. In über hundert verschiedenen Sprachen soll das Wort am Gründonnerstag, 17. April, auf unzähligen bunten Betttüchern die Fassade des Leverkusener Rathauses schmücken. Gleich mit seiner ersten Aktion "Leverkusener zeigen Flagge für den Frieden" will der frisch gegründete Friedenskreis so für überregionales Aufsehen sorgen. Noch ist der genaue Ablauf nicht in trockenen Tüchern, aber der Wille stark, gemeinsam ein Signal zu setzen, das über die Parteigrenzen hinaus geht.
So haben sich in dem Kreis neben einzelnen Bürgern auch Vereine, Verbände und Parteien zusammengeschlossen: unter anderen die Grünen, die SPD, die Leverkusener Europa-Union, der Ausländerbeirat, der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Dienstleistungsgewerkschaft verdi sowie die Katholische Kirche. Auch die Arbeitsgemeinschaft Leverkusener Künstler, der Kulturverein und das Kulturausbesserungswerk wollen sich für den Frieden stark machen. "Zu den vielen Demonstrationen und Kundgebungen soll die Aktion eine sinnvolle Ergänzung sein und etwas, das die Leverkusener gemeinsam auf den Weg bringen", erklärte Organisatorin Edda von Homeyer am Freitag. Hans Georg Meyer, Vorsitzender des Kreisverbands der Europa-Union, fügte hinzu: "Selbstverständlich wissen wir, dass wir einen einmal angefangenen Krieg damit nicht stoppen können. Aber wir protestieren nicht gegen etwas, sondern setzen uns aktiv für den Frieden ein."
Bürger, Vereine und Organisationen sind daher aufgerufen, Stoffbahnen zu beschriften. Farbige Stoffbahnen sind in begrenztem Umfang vorhanden. Bis Montag, 14. April, werden Anmeldungen unter 0214 / 2 20 13 angenommen. Zudem können Bürger und Geschäfte auch beschriftete Tücher an ihren Balkonen, in Fenstern und Schaufenstern aufhängen und damit die Aktion unterstützen. Was die Resonanz angeht, da zeigte sich von Homeyer zuversichtlich: "Wir sind nicht übermütig. Aber wir möchten auch hier in Leverkusen einen Keim für den Frieden legen." Bei ihren Planungen sei sie sofort auf offene Ohren und Gleichgesinnte gestoßen. "Das spricht eindeutig für diese Stadt."
Jörg Oberwittler


Leverkusener-Anzeiger, 17.März 2003
Jeden Tag Mahnwachen gegen Krieg

Mit gezielten Aktionen möchten Vertreter verschiedener Organisationen die Leverkusener gegen den Irak-Krieg mobil machen. Dass er kaum noch aufzuhalten sei, darin war sich das Dutzend Teilnehmer am Sonntagmorgen im "Treibhaus", dem Leverkusener Büro von Bündnis 90 / Die Grünen, einig. Für die Diskussionsteilnehmer, die dem Aufruf der Bündnisgrünen gefolgt waren, sich mit der Frage auseinander zu setzen: "Was tun in Leverkusen angesichts des drohenden Irakkrieges?" stand somit vor allem eines im Vordergrund: Wie kann man in der kurzen Zeit Kräfte bündeln und Aktionen in Bewegung setzen?
Lob gab es vorab von Manfred Demmer von der Kulturvereinigung Leverkusen: "Gerade die jungen Menschen in Leverkusen haben sich letzte Woche als treibende Kraft hervorgetan, so zum Beispiel die Schüler der Gesamtschule in Rheindorf". Aber, so warnte er: "Es muss weiter gehen, vor allem wenn der Krieg begonnen hat". Dem schloss sich auch Rita Schillings vom Flüchtlingsrat an. Ihrer Meinung nach ist es wichtig, nicht nur einmal zu sagen, dass man dagegen sei, sondern dies auch kontinuierlich zu demonstrieren.

Lesung und Lichterkette

Bei den Mitgliedern des Anti-Kriegs-Bündnisses, der Deutsch-Tunesischen Vereinigung und den Grünen traf das auf volle Zustimmung. "Außerdem müssen wir als Leverkusener gemeinsam zeigen, dass wir gegen den Krieg sind", erklärte Georg Müller, Vorsitzendender der Leverkusener Bündnisgrünen. So sei neben Demonstrationen, einer Klagemauer, Lesungen und Lichterketten auch eine Anzeigenkampagne geplant, um die Bürger zu erreichen.
Das "Friedensbündnis" ruft die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sich ab heute jeweils ab 18 Uhr aktiv an einer Mahnwache zu beteiligen. Los geht es am Montag, 17. März, vor der Opladener Aloysiuskapelle. Morgen findet die Mahnwache dann vor dem Wiesdorfer Rathaus, am Mittwoch vor dem Alten Bürgermeisteramt in Schlebusch, am Donnerstag am Konrad-Adenauer-Platz auf dem Norma-Parkplatz und am Freitag am Königsberger Platz in Rheindorf statt. Am 24. März sollen dann ab 19 Uhr im Kulturausbesserungswerk weitere Aktionen in Gang gesetzt werden. Auch dazu sind alle Leverkusener eingeladen.
Pamela Geldmacher



Leverkusener Anzeiger, 27.Februar 2003
Herr Präsident, die Stimmzettel!
Gibt es Demokratie im Karneval? Gibt es. Und zwar im Kulturausbesserungswerk, auf der kleinsten Sitzung Leverkusens. Entscheiden sollten die Zuschauer. Per Volksentscheid in der Pause. "Das ist die einzige Sitzung, auf der der Präsident direkt vm Volk gewählt wird", eröffnete der Kabarettist Johannes Boddenberg den Abend. Sein sicher geglaubtes Pöstchen als Leiter wollte ihm vorher der Kollgege Wolfgang Müller stritig machen. Die 99 Zuschauer erlebten einen Abend voller Spott über alle großen Themen, die die Leverkusener in den letzten Monaten beschäftigt haben: vom Ausbesserungswerk bis zu den Zahlenspielen der Leverkusener CDU. Feinsinniges und allerfeinsten Klamauk boten neben vielen anderen Klaus Huber, Michael Meierjohann, Jörg Fabrizius, nd berthold Kastner. Sichtlich erleichtert gab Johannes Boddenberg das Ergebnis des Volksentscheides über seine Zukunft als Präsidetn nach der Pause bekannt: Das Publikum bestätigte ihn sehr knapp mit 50Prozent aller abgegebenen Stimmen. (rar)


Coolibri, März 2003
K(l)eine Atempause - es geht voran!
Unabhängiges Kulturzentrum kurzzeitig geschlossen

Im Winter 2001 startete in Leverkusen ein ehrgeiziges Projekt. In ein verfallendes Haus mit angrenzender Halle auf dem Bahngelände in Opladen zogen verschiedene Gruppen ein und renovieren dieses noch immer auf eigene Faust. Ziel der Aktiven ist es, die Räumlichkeit als selbstverwaltetes Kulturzentrum zu nutzen und damit einen Raum zu schaffen für unkommerzielle Konzerte, Theater, Kabarett, Partys und Lesungen. Auch Gruppen, denen in Zeiten der Neuen Mitte kein Platz zugestanden wird, soll das Zentrum eine Plattform bieten. So sind neben den Künstlern Antirassismus- und Flüchtlingsgruppen ein selbstverständlicher Teil dieses Hauses. Das mit üblichen Konventionen gebrochen werden sollte, drückt auch schon der etwas stelzige Name aus: Kulturausbesserungswerk. Anfang Dezember letzten Jahres flatterte dem Förder-und Trägerverein des Hauses jedoch eine Verfügung des Bauamtes in den Briefkasten, es dürfen keine Veranstaltungen mehr stattfinden, so hieß es. Ein schwerer Schock. Das Kulturausbesserungswerk habe keinen Bauantrag gestellt und sei damit illegal, argumentierte das Bauamt. Die Stadt Leverkusen, konterte das Autonome Zentrum, habe in allen Vorgesprächen ihre Zuständigkeit verneint. Deswegen wurde kein Bauantrag gestellt. Der Mietvertrag mit der Deutschen Bahn AG wurde im Herbst 2001 besiegelt - die Arbeit konnte beginnen und die kulturellen Veranstaltungen wurden in das Baustellenflair eingebettet. Die Kooperationsbemühungen des Trägervereins und der Protest des gesamten städtischen Kulturausschusses sowie aller Stadtratsfraktionen führten nun zu einem Teilerfolg. Das Bauamt sendete positive Signale aus und die Hoffnung steigt, dass das Kulturausbesserungswerk im Frühjahr mit seinem für Leverkusen einzigartigen Kultur-und Politikangebot fortfahren kann. (tg) Infos:www.kulturausbesserungswerk.de


Leverkusener-Anzeiger, 8.Februar 2003
Kleinkunst für drei Jahre gesichert

Für die kommenden drei Jahre scheinen die Veranstaltungen im Opladener "Kulturausbesserungswerk" gesichert. Vorausgesetzt, die Brandschutzmaßnahmen werden ausgeführt, kann dort Kleinkunst stattfinden. Dies ergaben Gespräche zwischen der städtischen Bauaufsicht und dem Kabarettisten Wolfgang Müller-Schlesinger. Obwohl noch keine Werbung gemacht wurde, sind die beiden Vorstellungen für "Leverkusens kleinste Sitzung" am 23. und 24. Februar bereits ausgebucht. Grünes Licht gab es für "Kabarett und Tanz in den Mai". Auch für diesen Abend im großen Saal müssen Auflagen, wie verhakbare Stühle, erfüllt werden. Als kooperativ hat der Kabarettist die Gespräche mit der Stadt empfunden. Doch bei allem, was über die drei Jahre hinausgehe, höre die Bereitschaft auf. Bis zur Beendigung des Mietvertrages wolle man den Träger- und Förderverein Freie Jugendzentren und alle Aktiven, die das Kulturausbesserungswerk auf Vordermann bringe, "erst mal beruhigen", vermutet Wolfgang Müller-Schlesinger. Was danach komme, stehe in den Sternen.
(isr)


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