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ÜBER UNS - Presseübersicht 2007

Leverkusener-Anzeiger, 18.November 2007
Arbeitslos, gemobbt und liebeskrank

Wwww - das ist kein Schreibfehler, sondern das Motto des 14. Leverkusener Video-Festivals. „Welche Welt wollen wir?“ war die Frage, die es von den Teilnehmern in ihren Filmen zu beantworten galt. Am Freitag wurden die Videos im Kulturausbesserungswerk (KAW) vorgeführt und die besten drei mit dem „Levvi“ ausgezeichnet. Nicht länger als fünf Minuten sollten die Filme sein. Neben dieser formalen Vorgabe waren die Jugendlichen, keiner älter als 26, an keinerlei inhaltliche Vorgaben gebunden.

Fünf Gruppenarbeiten

So waren bei der Preisverleihung Kurzspielfilme, Dokumentationen und auch ein Musikvideo zu sehen. Fünf Gruppen präsentierten ihre Werke.Begonnen wurde mit einem Kurzspielfilm der Hauptschule Neukronenberg, der von Arbeitslosigkeit und ihre Auswirkungen auf das familiäre Leben handelt und mit einem neuen Job, also einem Happy End, aufhört. Für die gute Idee und vorbildliche Gemeinschaftsarbeit wurde diesem Film einer der drei „Levvis“ verliehen.

Herzschmerz gab es in dem Musikvideo des Jugendhauses Rheindorf zu sehen und zu hören. Ein armer Verlassener trauert seiner Geliebten nach - mit einer Mischung aus Rap und Gesang, deren Intonation stark an eine fragwürdig berühmte Laiengruppe erinnert, deren Mitglieder unter anderem als Putzkräfte im Atomkraftwerk tätig sind. Für diese Mühen gab es zwar keinen „Levvi“, aber den Trostpreis: eine Urkunde und schon mal eine Finanzspritze für den nächsten Film. Denn die Jungs, die schon im vergangenen Jahr beim Festival mitmachten, werden wohl auch 2008 wieder dabei sein - so wie die anderen Teilnehmer auch.

„Mach dich stark gegen Mobbing“ war einer der Sätze, der in der Sketch-Sammlung des Jugendhauses Lindenhof propagiert wurde. Anhand kurzer Szenen sprachen sich die Macher gegen Gewalt und Drogen aus und forderten Initiative für eine bessere Welt. Auch für diesen Beitrag gab es einen Trostpreis. Das Jugendhaus Lindenhof gab die Frage „Welche Welt wollen wir?“ in seinem Video einfach weiter und erhielt viele Antworten: zum Beispiel „beständiges Wetter“, „schöne Welt und so“ und „eine friedliche Welt“. Das alles wird untermalt von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ und war der Jury einen weiteren „Levvi“ wert.

Ebenfalls einen „Levvi“ gab es für die Dokumentation über ein „alternatives Wohnprojekt“. Die jugendlichen Macher dieses Films verkehren regelmäßig im Kulturausbesserungswerk (KAW) und hatten mit dem Videoprojekt eigentlich nichts am Hut. Doch als sie Petra Clemens, Mitarbeiterin im KAW und verantwortlich für die Technik beim Video-Festival, fragten, wie legal an leer stehende Häuser zu günstigen Mietbedingungen zu kommen sei, verwies diese sie erst mal an eine weitere Organisatorin des Festivals. Ingrid Baare, vom städtischen Fachbereich Kinder und Jugend, unterstützte die Jugendlichen in ihrem Vorhaben und schlug außerdem vor, ein Video zu drehen. So kam alles auf einen guten Weg: Der von den 15 Jugendlichen an den Oberbürgermeister gestellte Antrag wird noch bearbeitet. Die Hilfe von engagierten Handwerkern, Architekten und Politikern, vornehmlich aus der Riege der Grünen, ist ihnen schon sicher (über weitere Hilfen würden sie sich freuen). Und vielleicht gewinnen die Jugendlichen dann nächstes Jahr wieder einen „Levvi“, diesmal mit einer Dokumentation über das Leben in ihrer alternativen Wohngemeinschaft.
Bastian Zabelberg



Leverkusener Anzeiger, 13.November 2007
Verdacht auf rechtsextremen Hintergrund
Am Freitagabend wurde in Opladen eine Frau verletzt und zwei Männer wurden angegriffen.

Organisatoren der Demonstration sind sich sicher, die Polizei ermittelt noch, ob es einen politisch rechtsextremen Hintergrund für zwei gefährliche Taten am Freitagabend in Opladen gibt. Unmittelbar, nachdem sich am Gedenktag zur Reichspogromnacht die Demonstration "Kein Vergeben, kein Vergessen" aufgelöst hatte, wurde eine Frau (24) im Bahnhof Opladen durch den Wurf einer Flasche im Gesicht verletzt.

Die Polizei schreibt in ihrer Pressemitteilung: Gegen 20.15 Uhr wurde eine Auseinandersetzung zwischen zwei Personengruppen im Bereich des Bahnhofs Opladen gemeldet. Minuten später, bei Eintreffen der Beamten, hatten sich die Beteiligten bereits entfernt. Ersten Ermittlungen zufolge wurde eine Personengruppe, die am Bahnsteig auf einen Zug wartete, durch Mitglieder einer anderen Gruppe zunächst provoziert. Die Wartenden flüchteten in den Kiosk am Bahnhof. Dort wurden sie von ihren Verfolgern mit Flaschen beworfen. Eine Flasche traf die 24-Jährige im Gesicht.

In Deckung gegangen

Die Polizei traf die Verletzte später am Kölner Hauptbahnhof im Rahmen der Fahndung an. Sie wurde zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus gebracht. Die Ermittlungen dauern an. Harald Lenartz, Augenzeuge und Kioskbesitzer sagte, dass die Angreifer seiner Einschätzung nach dem rechtsextremen Lager zuzurechnen seien. Die Linken, sagte Lenartz, seien in den Laden gelaufen und in Deckung vor den Angreifern gegangen. Es seien Bierflaschen geflogen. Dann auch von innen nach draußen. Er habe seine Tür aus Sicherheitsglas schließen können, danach habe es aufgehört. Für die Linken sei es eine "sehr gefährliche Lage gewesen", er selbst habe nur Sachschäden im Laden.

Wie in diesem Fall, könne die Polizei auch in dem folgenden zweiten Übergriff einen Zusammenhang mit der Kundgebung zumindest nicht ausschließen, sagte die Polizeipressesprecherin Maren Leisner. Am vergangenen Freitag wurden zwei junge Männer (21, 26) in Opladen von einer Gruppe Jugendlicher angegriffen. Die beiden hatten zuvor ein Konzert im Kulturausbesserungswerk besucht.

Ohne Vorwarnung

Sie gingen etwa um 22.20 Uhr in Begleitung einer Zeugin (21) auf der Lützenkirchener Straße, als eine Gruppe von etwa zehn Jugendlichen die Straßenseite wechselte und auf sie losging. Ohne Vorwarnung schlugen sie auf die beiden Männer ein. Der 26-jährige wurde zu Boden gerissen und getreten. Trotz Gesichtsschwellungen lehnte der Angegriffene eine sofortige ärztliche Versorgung ab. Die flüchtigen Jugendlichen trugen schwarze Schals und schwarze Kapuzen. Wie die Polizeisprecherin sagte, versucht die Polizei auch hier zu ermitteln, ob die Angreifer möglicherweise aus dem politisch rechtsextremen Lager stammen. Für beide Fälle ist die Kriminalpolizei unter [TEL] 0221/229-0 dringend auf Hinweise von Zeugen angewiesen.
Ralf Krieger


Leverkusener-Anzeiger, 29.Oktober 2007
Glasperlen und viele andere Spiele

Dicke Wollknäuel liegen auf dem Tisch von Ute Ludwig. Wie viel Zeit und Energie in ihnen stecken, sieht man den Fäden nicht an. „An dieser Merino-Wolle habe ich zwei Tage gesessen“, erzählt sie. Ludwig ist Spinnerin und demonstrierte am Wochenende mit Kollegin Vanessa Jürgens-Moll ihre Arbeit auf dem Kunsthandwerkermarkt im Kulturausbesserungswerk (KAW). In der spärlich beleuchteten Industriehalle saß sie an ihrem Spinnrad, einem Gerät, das viele nur noch aus Dornröschen kennen.

„Als Schülerin habe ich mal ein Praktikum bei einer Strickmeisterin in Leverkusen gemacht“ berichtet die Leichlingerin vom Beginn ihres außergewöhnlichen Hobbys. „Von ihr habe ich das Spinnen gelernt. Ich war so begeistert, dass ich mir später ein Spinnrad von meinem Eltern gewünscht habe.“ Für Ludwig, die freilich nur nebenberuflich spinnt, hat das Handwerk etwas Meditatives. „Zum Abschalten und Entspannen ist es prima.“

Einen Stand weiter saß Hannelore Darscheid, die, auf ein Malbrett gestützt, mit kontrollierten, zarten Handbewegungen eine rosafarbene Blume auf einen Teller zauberte. Seit vielen Jahren ist sie Porzellanmalerin. Bevor sie von dieser Kunst fasziniert wurde, malte sie Bilder mit Öl-, Acryl- und Aquarellfarben. „Man kann Porzellan sowohl modern, als auch gegenständlich bemalen. Mir gefällt das Filigrane einfach sehr“, schwärmte sie.

Rustikaler ging es vor der Halle zu. Dort zeigten Lutz Weiß und Joe Rummig Damast-Schmiedekunst, bei der Stahl und Eisen in Lagen verschmolzen und verarbeitet wird. So entstehen grau-schwarze Messerklingen oder Schmuckstücke. Außerdem auf dem Markt: selbst hergestellte Seife, Waren und Kunst aus Filz, Holz und Leder.
Maria Wadenpohl


Leverkusener-Anzeiger, 29.Mai 2007
Autonom bleiben - trotz „Staatsknete“
Das für Leverkusener Verhältnisse einmalige Alternativprojekt steht kurz vor dem Aus- und Umbau.

Als wolle der Privatmann sich bewusst von der Kunstfigur abgrenzen, kommt er zum Termin nicht sozusagen staatstragend - dunkler Dress mit Fliege -, sondern im luftig-sommerlichen, hellen Leinenanzug. Doch so ganz privat ist Wolfgang Müller-Schlesinger eigentlich nie. Denn so wie er als Berufsbezeichnung ganz spontan und selbstverständlich Kabarettist angibt, so schier untrennbar verbunden ist er dem „KAW“, dem Kulturausbesserungswerk in Opladen, für das er zusammen mit vielen anderen unermüdlich ackert und die Werbetrommel rührt.

In den kommenden Monaten stehen dem 48-Jährigen und dem ganzen Team nun besonders heiße Zeiten bevor: Es geht um den Um- und Ausbau des KAW, das mit maßgeblicher Förderung des Landes als größtes Alternativprojekt Leverkusens aus dem andauernden Provisorium befreit werden soll. Das selbst verwaltete Kunst- und Kulturzentrum, in dem sich zahlreiche Initiativen zusammengeschlossen haben, hat von Anbeginn des Einzugs in das der Bahn gehörende Haus nebst der angrenzenden Halle darauf reflektiert, an diesem Standort „endlich heimisch werden zu können“, wie Müller-Schlesinger betont.

Nach gut drei Jahrzehnten der bewegten Geschichte, die einer kleinen Odyssee gleicht, scheint der „Träger- und Förderverein Freie Jugend- und Kulturzentren“ nun endlich am Ziel angelangt. Mit fast 700 000 - ganz genau: 672 383,33 - Euro wurde das Projekt kalkuliert. Den Löwenanteil von 80 Prozent der Summe wird das Land aus dem Fördertopf „Initiative ergreifen“ des Städtebauministers übernehmen. Die restlichen 20 Prozent, das war Bedingung, müssen aus Eigenmitteln aufgebracht werden. Das sind immerhin noch knapp 135 000 Euro. Da von der Stadt nach Angaben des 2. Vereinsvorsitzenden (Vorsitzender des Fördervereins ist Uwe Stracke) „nicht ein Cent“ zu erwarten ist, entschied sich das KAW-Team, diesen Rest nochmals zu teilen: Eine Hälfte soll aus Spenden aufgebracht, die andere in Eigenleistung „abgearbeitet“ werden.

Die Spenden sind längst beisammen. Mal waren es ein paar Euro, die ein Schüler gab, mal gab ein etwas solventerer Spender ein ordentliches - und unverzinstes - Privatdarlehen. Den größten Teil jedoch vermittelte Oberbürgermeister Ernst Küchler - ein städtischer Zuschuss scheiterte an der klammen Finanzlage der Stadt: Die Sparkasse Leverkusen und die EVL (Energieversorgung Leverkusen) füllten den Spendentopf mit je 15 000 Euro. Fehlt noch die Eigenleistung, die abzufordern allerdings erst dann Sinn macht, wenn auch die letzte Hürde genommen ist: der Abschluss eines langfristigen Mietvertrags mit der Deutschen Bahn.

Bis Ende des Monats, hofft Müller-Schlesinger zuversichtlich, soll der Vertrag unterschrieben sein: „Das wurde uns jedenfalls beim letzten Gespräch so zugesichert.“ Allerdings ist schon jetzt absehbar, dass das KAW eine Art Notbremse wird ziehen müssen - einen Antrag auf Verschiebung der Zuschussgewährung ins nächste Jahr. Denn prinzipiell müssen solche Fördergelder, wenn sie gewährt sind, noch im selben Jahr abgerufen werden. Die Ausnahme von dieser Regel muss beantragt und begründet werden. Zumindest der Beginn des Ausbau soll jedoch noch in diesem Jahr erfolgen. Müller-Schlesinger: „Wir stehen alle Spitzhacke bei Fuß.“ Die Ausbaupläne sind ebenfalls längst fertig, wie wurden beim jüngsten „Tanz in den Mai“ vorgestellt.

Danach wird der bisherige Multifunktionsraum, die so genannte Kneipe, etwas vergrößert, der Thekenbereich ins andere Raumeck verlegt. Gänzlich umgemodelt wird der Eingangs- und Toilettenbereich. Erstmals wird das KAW ein richtiges, wenn auch kleines Foyer bekommen, der Eingang wird aus dem Haus in die Halle verlegt. Eine Küche im Anschluss an die Toiletten wird sowohl von der Halle wie vom kleinen Veranstaltungsraum aus nutzbar sein, so dass sogar Parallelveranstaltungen möglich sind. Vor allem aber freuen sich die KAWler, dass sie noch ein Stück der angrenzenden Kolpinghalle dazu bekommen.

Gut 100 Quadratmeter mehr Fläche, das bedeutet endlich (mehr) Platz für Künstlergarderoben, für Lager, für die Technik. Dieser Backstage-Bereich ist sozusagen das Zückerchen der Fördermaßnahme. Noch mehr Fläche - die Kolpinghalle dehnt sich weitere -zig Meter - „wären schön gewesen“, sagt Müller-Schlesinger, „aber leider nicht finanzierbar“.

So sehr sich alle über die Landesförderung freuen, in die übrigens eine Anschubfinanzierung der Betriebskosten für drei Jahre von insgesamt 60 000 Euro eingerechnet sind, so heiße Diskussionen gab und gibt es immer wieder zum Thema. Denn nichts fürchten die Aktiven des Fördervereins so sehr wie Abhängigkeiten. Deshalb lautet nach wie vor das Hauptziel: autonom bleiben. Abgesehen von Projekt bezogener Förderung durch die städtische Kulturverwaltung will das Kulturausbesserungswerk sich auch in Zukunft den Rücken frei halten für eine „kritisch-distanzierte Kulturarbeit“, so Müller-Schlesinger.
Jürgen Wasse


Leverkusener-Anzeiger, 29.Mai 2007
Es begann in den Kämpen

Die Geschichte des Kulturausbesserungswerk reicht zurück in die 70er Jahre. Die Keimzelle war ein Jugendhaus, das die Arbeiterwohlfahrt seinerzeit in Wiesdorf betrieb. Dieses Jugendhaus, verbunden mit einem so genannten „freien Kindergarten“, war angesiedelt „In den Kämpen“, einer Siedlung an der Rheinallee, die als sozialer Brennpunkt galt. Jahre später wurde diese Siedlung dem Erdboden gleichgemacht, weil sie auf der Altlast Dhünnaue stand - jenem Gelände, auf der wiederum die Landesgartenschau angelegt wurde.

Im Dunstkreis des Jugendhauses In den Kämpen formte sich eine zunächst lose Gruppierung junger Leute, die sich gegen den von der Bayer AG angestrebten Abriss zahlreicher Wohnhäuser an der unteren Hauptstraße und Niederfeldstraße wandte. Es entstand eine regelrechte Hausbesetzer-Szene. In diesen Jahren fanden sich schließlich auch die Mitstreiter des „Fördervereins Freie Jugendzentren“, die sich zunächst im „TT Embargo“, später im „Schweinesaal“ - jeweils an der unteren Hauptstraße gelegen - ein Domizil einrichteten. Der Verein überdauerte über die Jahrzehnte bis heute, dank vieler Aktiver - und trotz teils heftiger kommunalpolitischer Gegenwinde. Dem Vereinsnamen wurde schließlich der Zusatz Kulturzentren angefügt, und so wurde der Verein Träger des Kulturausbesserungswerks.

Jetzt ein großer Verein

Inzwischen zählt der Verein rund 300 Mitglieder, es werden zahlreiche Veranstaltungen organisiert. Das Haus an der Kolberger Straße beheimatet annähernd 20 Arbeitsgruppen und Initiativen, die sich die unterschiedlichsten kulturellen, sozialen und politischen Ziele gesetzt haben. Im Oktober 2001 konnte der Förderverein mit der Deutschen Bahn einen Mietvertrag für ein Haus mit angebauter Halle auf dem Gelände des ehemaligen Bundesbahnausbesserungswerks abschließen. Ungezählte Arbeitsstunden - ehrenamtlich - wurden investiert, um das verfallene Gebäude zu einem, wie es in einer Selbstbeschreibung heißt, „lebendigen Haus der Initiativen“ auszubauen. Die Förderung des jetzt anstehenden Um- und Ausbaus ist zweckgebunden. Dies bedeutet, dass das Kulturausbesserungswerk sich verpflichten muss, das Haus mindestens 15 Jahre lang zu betreiben. Nach dieser Zeit ist mit dem Wegfall der Zweckbindung auch ein prinzipieller Zugewinn für die Stadt Leverkusen gesichert - sie kann dann über die Immobilie frei verfügen.
Jürgen Wasse


Leverkusener-Anzeiger, 3.Mai 2007
Kostenloser Schweißeinsatz

 "Der 1. Mai ist schön, da kann man Leute seh'n", sang einst Wolf Biermann - und muss dabei auch das Opladener Kulturausbesserungswerk im Sinn gehabt haben. So viele gute Freunde und Bekannte, ein "Hallo" hier, ein Gruß dort, fortgesetztes Umarmen, Händeschütteln - das ist das KAW. Das ist diese ganz besondere Atmosphäre, die stets herrscht, wenn Wolfgang Müller-Schlesinger und die Seinen zu einer ihrer Kultveranstaltungen einladen, diesmal zur 11. Auflage des Tanz' in den Mai.

So ziemlich alles, was in der einschlägigen Leverkusener Szene Rang und Namen hat, entert da die kleine Bühne. Dazu auch einige, die schon bundesweit mitmischen, beispielsweise Wilfried Schmickler, der unverdrossen "seinen Leuten" die Treue hält, auch wenn sein Terminkalender mittlerweile kaum noch Platz haben dürfte. Da wird glossiert und gespottet, aufgespießt und angespitzt auf Teufel komm raus. Und es macht überhaupt nichts, wenn die eine oder andere Nummer schon ein wenig angejahrt ist.

Man freut sich doch immer aufs Neue, wenn Müller-Schlesinger und sein Ko-Moderator Michael Meierjohann den Lokalkritiker mit der Quetschkommode, Andreas Bender, den selbst ernannten "Serienmörder" Jörg Fabrizius, Mark Welte samt seiner exorbitanten An- und Einsichten oder den ewig grantelnden Hausmeister Bertold Kastner aufruft; dazu noch ein gutes Dutzend weiterer Mitstreiter, ob die "heiße" Charla Drops, Schlagwetterpoet Michael Schönen oder den sanft-heimtückischen Peter Kaczmarek.

Was diesmal allerdings für besonders gute Laune sorgte, war Müller-Schlesingers eingangs vorgestelltes "Jetzt-geht's-los". Denn die Landeszuschüsse für den Ausbau des KAW sind praktisch abrufbereit, die beisammen; fehlen nur noch genügend Hände, um die erforderlichen rund 4000 Arbeitsstunden zu leisten.
Jürgen Wasse


Rheinische Post, Dienstag 1. Mai
Zeichen gegen Nazis

Zeichen gegen Rechtsextremismus möchte die Kulturvereinigung Leverkusen setzen. Deren Vorsitzender Horst Wilhelms. Hat einen Bürgerantrag an Leverkusens Oberbürgermeister Ernst Küchler gestellt, in dem er u. a. die Instandsetzung des Widerstandsdenkmals in Alkenrath fordert. Zusätzlich soll es mit Informationstafeln über die geschichtlichen Hintergründe versehen werden. In dem von der CDU vorgeschlagenen Museum im Wasserturm am früheren Bahnausbesserungswerk Opladen soll zudem an die Geschichte des Widerstands der Reichsbahnarbeiter gegen den Faschismus erinnert und eine Gedenktafel angebracht werden. Wilhelms wünscht sich außerdem die Verlegung eines Stolpersteins durch den Kölner Künstler Günter Demnig vor dem Haus des von den Nazis ermordeten Theodor Schmidt auf der Heidehöhe und eine Gedenktafel vor dem Hause des Antifaschisten und früheren Reichstagsabgeordneten Fritz Schulte an der Myliusstraße.
Das Kulturausbesserungswerk unterstützt die Vorschläge. 
(ssc)


Leverkusener-Anzeiger, 19.April 2007
Aus dem Archipel Gulag
Der jüdische Ukrainer Berl Kostinski berichtete im Kulturausbesserungswerk.

Nicht allen Jugendlichen meiner Generation ist bewusst, dass wir vielleicht die letzten sind, die die Chance haben, etwas über die nationalsozialistische Verfolgung aus dem Mund von Überlebenden zu erfahren. Und so waren die jungen Leute nicht gerade in überwältigenden Mengen präsent, als Berl Kostinski am vergangenen Dienstag im Kulturausbesserungswerk aus seinem autobiographischen Roman „Mein Name war CH555“ las.

Der 1920 in einer jüdischen Arbeiterfamilie geborene Ukrainer, dessen Erfahrungen während des Nationalsozialismus' vergangene Woche an dieser Stelle in einem Interview zu lesen waren, war bereits 2006 zu Gast in Leverkusen gewesen, um den ersten Teil seiner Autobiographie vorzustellen.

Dieses Mal ging es um die Jahre nach 1945, in denen er sich unter Stalin erneut einer antisemitisch motivierten Verfolgung und Inhaftierung ausgesetzt sah und fünf Jahre in einem sibirischen Lager verbringen musste.

Viel erlitten

Es ging Berl Kostinski sichtlich nahe, von dieser Zeit zu berichten, wie man seiner Stimme anhören konnte: „Warum habe ich so viel ertragen müssen?“, fragte er. Als das Publikum nach der Lesung zum Gespräch ermuntert wurde, stellten die Zuhörer hauptsächlich Fragen zu politischen Gesamtzusammenhängen, manche schienen eher so, als wollten sie gerne selbst etwas erzählen.

Die einzige Frage, die sich tatsächlich auf Kostinskis Lebensgeschichte bezog, kam aus der jüngeren Altersgruppe, die dann doch immerhin ein Viertel des etwa 40-köpfigen Publikums ausmachte. Die Jugendlichen befanden die einstündige Lesung auch für unbedingt spannend und beklagten nur ihr eigenes, mangelndes geschichtliches Hintergrundwissen.

Berl Kostinski ist gerne bereit, dieses ein wenig aufzupolieren und Einladungen an Schulen zu folgen, um den Schülern Erfahrungen eines Überlebenden authentisch zu vermitteln. Kontakt für Interessierte über das Kulturausbesserungswerk: info@kulturausbesserungswerk.de
Philine Lissner




Leverkusener-Anzeiger, 12.April 2007
Nur knapp davongekommen
Als Zwangsarbeiter verbrachte Berl Kostinski die letzten Monate des
Zweiten Weltkriegs im Leverkusener Bayerwerk.

JUNGE ZEITEN: Herr Kostinski, Sie beherrschen fünf verschiedene Sprachen. Sind Sie schon mehrsprachig aufgewachsen?

BERL KOSTINSKI: Meine Muttersprache ist Jiddisch. Als ich mit acht Jahren in die jüdische Sieben-Klassen-Schule kam, lernte ich dort ab dem dritten Schuljahr Ukrainisch, ab dem vierten Russisch, und ab dem fünften Deutsch.

 Mit der deutschen Sprache hat es doch eine besondere Bewandtnis bei Ihnen?

 KOSTINSKI: Ja, das ist eine Geschichte, die schwer zu erklären ist. Ich stamme aus einer armen Arbeiterfamilie, meine Mutter selbst war Analphabetin - aber es gehört zur jüdischen Mentalität, den Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen, daran wurde alles gesetzt. Auch ich selbst war schon immer furchtbar wissbegierig. Mein älterer Bruder hat mir in seinen Lehrbüchern die deutschen Buchstaben gezeigt, als ich noch gar nicht zur Schule ging, und ich begann ohne weiteres von selbst deutsch zu lesen. Die deutsche Sprache, Geschichte und Kultur waren für mich schon früh interessant, weil ich begriffen hatte, dass Deutsch die Ursprache für das Jiddische ist. Während meiner Schulzeit war ich dann der Klassenprimus.

 Ging das während Ihres nachfolgenden Studiums so weiter?

 KOSTINSKI: So ähnlich; am juristischen Institut Charkow war ich wieder einer der Besten im Deutschen. Ich studierte mit Elan und Spaß, wobei sich der ständige Hunger nicht auf meine Kenntnisse auswirkte. Im zweiten Studienjahr wurde ich dann in die Armee eingezogen. In Europa war schon Kriegszustand, man brauchte keine Studenten mehr.

 Nach Ihrer Verletzung und zwei Identitätswechseln kamen Sie dann als der Russe Boris Kostin mit dem Zwangsarbeitertransport nach Leverkusen.

KOSTINSKI: Wir wurden zunächst in einem Arbeiterklub in Schlebusch untergebracht, dort blieben wir eine Woche unter Quarantäne. Anschließend wurden wir zur Arbeit in verschiedenen Bereichen des Bayerwerks eingesetzt, damals nicht unter der Bezeichnung Zwangs-, sondern Ostarbeiter. Wir wohnten im Familienlager Flittard, circa 1,5 Kilometer vom Bayer-Eingangstor entfernt. Es gab dort wenig Essen, aber wenigstens war es genießbar. Zu Mittag allerdings aßen wir im Betrieb, in einer separaten Speisehalle, in der wir sehr unhygienisch zubereitetes Essen bekamen. Die meisten konnten das nicht vertragen, ich aber musste es essen, um mir täglich eine Scheibe Brot absparen zu können, die ich dem Sohn meiner Freundin gab. Die russischen Kinder bekamen nämlich kaum Essen, nur Todesportionen, man brauchte sie nicht und ohne fremde Hilfe wären sie verhungert. Ende Oktober 1944 wurde Bayer dann von englischen Bomben getroffen, abends, während wir im Lager waren. Mein Arbeitsplatz wurde durch einen Volltreffer zerstört.

 Was geschah dann mit Ihnen?

KOSTINSKI: Alle Beschäftigten wurden zum Aufräumen eingesetzt, der Schutt musste beseitigt werden. Es war sehr schwer für mich, die eisernen Balken zu tragen, denn meine Wunden von der Front waren noch nicht ganz verheilt. Aber ich durfte kein Wort sagen, ich verstand instinktiv, dass es zum Klagen keine Gelegenheit gab. Danach wurde ich zum alten Kraftwerk verlegt und zum Maschinisten gemacht. Es gab fünf Turbinen, die den Strom für ganz Leverkusen produzierten, später im Februar war aber nur noch die eine übrig, an der ich arbeitete.

 Wie kam es dazu, dass Sie das Bayerwerk schließlich noch vor Kriegsende verließen?

KOSTINSKI: Im März 1945 wurden alle Ostarbeiter plötzlich ins Lager geschickt und in einigen Minuten abtransportiert. Nur ich und meine Freundin Tanja blieben unerklärlicherweise verschont. Vielleicht konnte man mich nicht finden, vielleicht brauchte man mich noch; ich war der einzige Maschinist an der einzigen Turbine und versorgte eine ganze Stadt mit Strom. Ich blieb also ganz allein zurück, aber meine Freundin mit den zwei Kindern, das jüngere davon, meine Tochter Anna, im Ostarbeiterkrankenhaus geboren, wartete im Lager auf mich und erzählte mir von dem Abtransport. Es gab keine Zeit zum Weinen oder Seufzen. Ich lief zu meinem deutschen Kollegen Max Fähringer, einem ehemaligen Kommunisten, und fragte ihn um Rat. Da seine Frau zu der Zeit im Hochbunker lebte, erlaubte er uns, seine Wohnung zu beziehen.

 Und dann wurden Sie, Ironie des Schicksals, von Amerikanern lebensbedrohlich verwundet.

KOSTINSKI: Am 13. März 1945 sah ich auf dem Weg nach Hause am anderen Rheinufer amerikanische Soldaten. Ich hätte durch den Graben gehen sollen, ging aber, voll guter Laune, singend in der Mitte der Straße. Plötzlich lag ich am Boden in einer Pfütze aus meinem Blut. Ich begriff gleich, dass die Amerikaner geschossen hatten - und dass es fünf vor zwölf für mich war. Das war psychisch sehr schmerzhaft: So viel ausgehalten zu haben und jetzt Abschied nehmen zu müssen? Durch vorsichtige Bewegungen erregte ich die Aufmerksamkeit zweier Männer, eines sowjetischen Kriegsgefangenen und eines deutschen Soldaten in seiner Begleitung. Sie hatten einen Heuwagen mit Lebensmitteln bei sich und legten mich ohne Zaudern darauf. Ich konnte noch normal sprechen und wies ihnen so den Weg zu einer alten Bekannten. Von dort wurde ich, wiederum auf einem Heuwagen, zum Krankenhaus gebracht. Ich wusste nicht, ob das Ostarbeiterkrankenhaus noch in Betrieb war, also ließ ich mich unter meiner falschen Identität als Hans Vogeler ins St.-Josef-Krankenhaus bringen. Der Chefarzt sah den tiefen Durchschuss gleich an der Hauptschlagader und gab nicht mehr viel auf mein Leben. Darum erhielt ich keinerlei medizinische Hilfe. Ich wurde nur verbunden und bekam ein Mal in der Woche den Verband gewechselt, sonst nichts. Der Chefarzt schickte sogar mehrmals Nonnen zu mir, die mich dazu bringen wollten, meine letzte Beichte abzulegen. Nach 30 Tagen ohne Behandlung wurde ich ins CD-Gymnasium (die heutige Realschule Am Stadtpark; d. Red.) verlegt, welches als Ersatzkrankenhaus diente. Dort wurde mir endlich der Splitter aus dem Hals geschnitten, nachdem er schon fast von selbst ausgetreten war.

 Die Befreiung erlebten Sie dann als Patient in dieser Schule?

 KOSTINSKI: Ja. Es ging mir schon einigermaßen gut, als ich eines Tages plötzlich durchs Fenster amerikanische Panzer mit Soldaten sah, die ihre Gewehre hochhielten. Sie marschierten dort sehr zufrieden vor sich hin. Da habe ich begriffen, dass ich tatsächlich beinahe kurz vor dem Ende gestorben wäre! Wie schlimm wäre das gewesen. Aber ich lebte, und der Krieg war vorbei. Über Nacht war dann das Hitlerbild, das an der Wand des Schulzimmers gehangen hatte, weg, unter dem Bett verschwunden.

 Sie haben ein Buch über Ihre Erfahrungen geschrieben. Was war dabei Ihre Motivation?

 KOSTINSKI: Sie als Deutsche können gar nicht verstehen, wie schlimm die Deutschen damals waren. Niemand, der es erlebt hat, will davon erzählen. Die meisten sterben ohne die Wahrheit. Sie sollten ihre Erfahrungen aber offenbaren, für die Zukunft Deutschlands! Ich habe es getan, ich habe darüber geschrieben. Und mir ist sehr wichtig, dass die heutige Jugend von dieser Zeit erfährt.
Das Gespräch führte Philine Lissner



Leverkusener-Anzeiger, 09.Februar 2007
„Die sind auf einem Superweg“ 
Der Leverkusener Kabaretist Wilfried Schmickler erhält den "Prix Pantheon".
Der Leverkusener Kabarettist erhält den „Prix Pantheon“, eine der wichtigsten Auszeichnungen in der deutschen Kabarettszene. Vor seinem Auftritt am Donnerstag bei der Evangelischen Jugend in Schlebusch nahm sich der Scharfrichter des Worts Zeit für ein Gespräch.

LEVERKUSENER ANZEIGER / KÖLNER STADT-ANZEIGER: Haben Sie Lust, eine Runde zu spielen?
WILFRIED SCHMICKLER: Was spielen wir?

Schließen Sie die Augen. Was fällt Ihnen zu Leverkusen ein?
SCHMICKELR: Leverkusen ist meine Heimat. Ohne Leverkusen würde ich nicht das tun, was ich heute mache. Ich kam aus dem intellektuellen Umfeld der Lucas-Schule nach Wiesdorf in den „Club“ - mit der Schulaufgabenhilfe für Spätaussiedler auf der einen Seite und mit all den Freaks und Gestalten, die sich damals dort gesammelt hatten, auf der anderen Seite. Und dann ging das los.

Was?
SCHMICKLER: Das Besondere damals war: Es gab immer nur ein paar von allen - ein paar Free-Jazzer, ein paar Rock 'n' Roller. Ein Einzelner wäre nicht in der Lage gewesen, was auf die Beine zu stellen. Bei dem legendären Opern-Air an den Wupper-Wiesen hatten wir eine „Crossover“-Situation, würde man heute sagen. Da haben wir angefangen, Texte zu Free-Jazz zu lesen, dazu wurde improvisiert. Schneider, Huber, Willmanns - alle, wie sie da waren. Das war eine so geballte Energie, wie ich das in keiner anderen Stadt mehr gefunden habe.

Machten nicht politische Gründe die Szene stark?
SCHMICKLER: Es sind zwei Dinge. Das kreative Potenzial auf der einen Seite, auf der anderen der Gedanke eines selbstverwalteten Jugendzentrums. Jeder kümmert sich um alles, von der Anschaffung der Reinigungsmittel bis zur Gestaltung des Programms. Darüber sollte jeder abstimmen können. Dann kamen die Auseinandersetzungen mit dem Träger, der Arbeiterwohlfahrt.

Wo es auch handgreiflich zuging?
SCHMICKLER: Ja, es gab die legendäre Eierwurfgeschichte mit Prozessen und frag' nicht was. Dadurch hat sich die Szene stark politisiert.

Wie ist Ihr Blick heute aus der Metropole in die Provinz?
SCHMICKLER: Ich finde bemerkenswert, was im Kulturausbesserungswerk passiert.

Ist das eine Parallele zu den 70er, 80er Jahren?
SCHMICKLER: Absolut. Da hat es nur solche Projekte gegeben: Lindenhof, „TT Embargo“, „Schweinesaal“.

Aber im „Schweinesaal“ waren Sie schon nicht mehr beteiligt.
SCHMICKLER: Bei mir hörte es in dem Moment auf, als ich nach Köln gezogen bin.

Gab's einen Grund?
SCHMICKLER. Da saß ich im „topos“, und der Welte hatte gerade eine Wohnung frei. Wobei: Es gab auch einen Durchhänger. In den 80ern waren alle ein bisschen müde geworden. Das Scheitern des Lindenhofs war ausschlaggebend. Der Konflikt hatte sich auf die Fragen „Finanzhoheit“ und „Personalhoheit“ zugespitzt. Darüber durften wir nicht entscheiden. Wäre das damals von städtischer Seite anders betrieben worden, dann wäre der Lindenhof heute eines der großen soziokulturellen Zentren, nur zu vergleichen mit der „Lagerhalle“ in Osnabrück oder mit der „Alten Feuerwache“ in Köln.

So etwas wie das Kulturausbesserungswerk heute?
SCHMICKLER: Absolut. Die sind auf einem Superweg, weil sie zwei Standbeine haben. Da sind die alten Säcke, so wie ich, die immer schon dabei sind. Und da sind die jungen Leute. Die sind eingebunden und tragen Verantwortung.

Könnten Sie dort helfen?
SCHMICKLER: Ich könnte Benefize machen oder, wenn öffentliche Unterstützung mobilisiert werden muss, mit einsteigen. Ich kann bei Kleinkunstfesten mitmachen.

Bei der „Kleinsten Sitzung“ waren Sie aber nicht dabei.
SCHMICKLER: Nee, Karneval ist eine andere Baustelle. Aber dass es jetzt öffentliche Gelder für das Ausbesserungswerk gibt, dass die jetzt endlich eine Planungssicherheit haben - toll.

Könnten Sie Workshops anbieten?
SCHMICKLER: Da bin ich nicht für geeignet. Ich hab das mal probiert. Damals mit Dietmar Noworzyn in den Jugendkunstgruppen. Das funktioniert auch nicht. Beim Kabarett müssen sich die Leute das selbst erarbeiten. Man muss kein Schauspieler sein, aber man muss eine Meinung und eine Haltung haben.

Schreien Sie deshalb so laut?
SCHMICKLER: Ich schrei nur die fünf Minuten in den „Mitternachtsspitzen“, damit die Leute noch mal wach werden. Das hat eine Funktion innerhalb der Sendung.

 Noch mal zum Kulturausbesserungswerk: Wir groß ist die Möglichkeit, politischen Einfluss zu nehmen?
SCHMICKLER: Wir haben das damals versucht. Vielleicht gäbe es ohne uns die „Kolonie Eins“ nicht. Allerdings war es frustrierend zu erleben, dass man derart schnell an Grenzen stößt, wenn es um konkrete Stadtplanung geht. Sich in die Gestaltung der Stadt einzumischen, das ist schier unmöglich. Da vergeudet man unnötig Energien.

Wirkt die Erfahrung bis heute?
SCHMICKLER: Ganz sicher. Ich weiß nicht genau, worum es heute geht, aber wir haben damals gesagt, „was baut ihr da für eine Scheiße, in 30 Jahren reißt ihr das wieder ab“. Ich weiß genau, was das für ein Schock war, als die das Rathaus hingesetzt haben. Jeder wusste, wenn der Beton 30 Jahre steht, dann kriegt der diese potthässliche Äußerlichkeit, der er jetzt hat. Da kann ich nichts reparieren, da kann ich am Ende nur noch sprengen. Das war eine der Todsünden, die sie damals begangen haben. Heute würde man das anders machen - mit modernen Erkenntnissen, wie eine Innenstadt auszusehen hat.

Wie das geplante ECE?
SCHMICKLER: Ich kenn es nicht. Das wird in Köln nicht kommuniziert. Meine Freunde vom Kulturausbesserungswerk sind so eingebunden mit ihrer Arbeit dort, dass die gar keine Zeit haben. Und die Jüngeren haben andere Interessen.

Sind die generell weniger politisch als früher?
SCHMICKLER: Glaub ich nicht. Es gibt denselben Stamm an Aktivisten, die was machen wollen, aber vielleicht auch mehr Mitläufer. Damals war es mehr Mainstream. Wer da nicht dabei war, war außen vor.

Welcher Preis ist teurer, der Prix Pantheon oder der Kurt-Lorenz-Preis?
SCHMICKLER: Das kann ich jetzt nicht so abwägen, aber als ich den Kurt-Lorenz-Preis bekommen habe, hat mich das mehr angerührt. Das war emotionaler. In der Stadt, wo wir so viel gearbeitet haben, eine solche Anerkennung zu bekommen, das war schon sehr angenehm, auch in der Reihe derer zu stehen, die ihn vor uns erhalten haben, wie Alfred Nasarke (ehemaliger Redaktionsleiter des Leverkusener Anzeiger / Kölner Stadt-Anzeiger, Anm. d. Red.).

 Warum spielen Sie so gerne in kleinen Räumen?
SCHMICKLER: Ich find das sensationell, was die im Hitdorfer „matchboxtheater“ aufziehen. Ich kenn doch die Strukturen in Hitdorf und weiß, wie schwer es ist, ambitionierte Sachen zu etablieren. Aber es gibt auch Beziehungen zum Karnevalsverein dort. Hier in Schlebusch haben wir einen ähnlichen Fall wie bei uns früher. Hier gibt es einen Sockel von 20, 30 Leuten, die sind immer da. Die schmieren die Brötchen, die machen die Technik, pressen den Apfelsaft. Die halten den Laden auf einem guten Niveau. Das macht Spaß, hier zu spielen.

Aber Sie verdienen dabei weniger?
SCHMICKLER: Och, wenn ich bei 150 Leuten 70 bis 80 Prozent der Eintrittsgelder kriege, können Sie sich ausrechnen, was dabei rauskommt. Der Schnitt auf der Tour liegt bei 300 Euro am Abend. Wir gehen bewusst nicht in die größeren Säle.

Und in die neue Stadthalle Opladen?
SCHICKLER: Wäre eine Möglichkeit, aber da ist ja kein Veranstalter. Ich hab mich für Leverkusen entschieden und bleib da, wo ich immer bin. „K 1“ kam eh nie in Frage.

Warum?
SCHMICKLER: Klassenfeind. Auf demselben Boden, den wir mir „TT Embargo“ besetzt gehalten haben, würde ich nicht spielen. Hat „Ars Vitalis“ auch nie gemacht.

Warum kein Karneval?
SCHMICKLER: Das Prinzip Karneval ist „ganz oder gar nicht“. „Ganz“ bedeutet von Weiberdonnerstag bis zum Fischessen am Aschermittwoch. Das ist sehr anstrengend. Muss nicht mehr sein.

Und wenn das Frauendreigestirn aus Hitdorf Sie fragte, „komm Jung, mach et“?
SCHMICKLER: Sofort.

Was bedeutet für Sie die Schulzeit?
SCHMICKLER: Schule ist das Beste, was mir passiert ist. Ich hatte superengagierte Lehrer.

Warum waren Sie bei der Jubiläumsrevue „100 Jahre Landrat-Lucas-Schule“ nicht persönlicher?
SCHMICKLER: Darüber habe ich mich hinterher selbst geärgert, ist ein Fehler gewesen, vor allem als ich Alfried Wichmann im Foyer getroffen habe. Der hatte als Schulleiter eine herausragende Rolle für die Entwicklung der Schule. Und das als CDU-Mann.

Warum ziehen Sie nicht nach Hitdorf zurück?
SCHMICKLER: Da kennen mich alle. - aber in der Südstadt auch.

Was ist schwieriger, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr reden zu dürfen oder mit dem Rauchen aufhören zu müssen?
SCHMICKLER: Nichts mehr sagen zu dürfen.

Das Gespräch führte Ingeborg Schwenke-Runkel



Rheinische Post, 6.Februar 2007
Redner mit Lokalbezug
(RP) Bei der Premiere von „Leverkusens kleinster Sitzung“ im Kulturausbesserungswerk gab es eine gut komponierte Mischung von jecken und kabarettistischen Einlagen.

Der „Chor Freitag“ gab Karnevalshits von „Mer losse dr Dom in Kölle“ bis „In unserem Veedel“ zum Besten. Seine Mitglieder Susanne Klemisch und Thomas Petzold traten als Funkemariechen und Tanzoffizier auf. Michael Meierjohann wurde als Prinz gekürt. Und die rund 80 Besucher bei der Premiere von „Leverkusens kleinster Sitzung“ (LKS) im Kulturausbesserungswerk waren bunt kostümiert. Alles höchst karnevalistisch also? Keineswegs.

Kein Gegenkarneval

Denn wie in den vergangenen Jahren mischten die Künstler bei der zehnten Auflage der Veranstaltung auch diesmal Jeckes und Kabarett. „Wir verstehen uns überhaupt nicht als Gegenkarneval, sondern als eine Alternative. Das Jecke gehört genauso dazu wie das Kabarettistische“, erklärte Wolfgang Müller-Schlesinger, der als die urkomische Figur „Gündar“ aus dem „echten Rheinland“ (Bingen) den Sitzungspräsidenten gab.

Bisweilen lassen sich diese beiden Elemente durchaus verbinden. So übersetzte der Chor Freitag die jecken Hits gewollt holprig ins Englische („Cause we are Cologne Girlies“, „In our quarter“, „Cologne, I love, I love, I love Cologne“) und das Mariechen stolperte ungeschickt bis altersschwach über die Bühne. Welche Schwierigkeiten Prinz Michael bewältigen muss, wird hier mit Rücksicht auf die weiteren Sitzungstermine verschwiegen, um das Geschehen nicht seiner Spannung zu berauben.

Redner mit Lokalbezug gibt es wenige im Karneval. Leverkusens kleinste Sitzung kann mit einem aufwarten. Andreas Bender beleuchte die Dinge in Leverkusen. Angesichts von Chemiepark, Innovationspark oder Sportpark bereitete er die begeisterten Zuhörer auf die künftigen Kreationen vor. „Rheindorf-Nord wird zum Wohnpark, die City wird zum Einkaufspark und die Bayer-Müllverbrennungsanlage zum Entsorgungspark. Das macht Leverkusen weltweit so beliebt. Hier wird jeder seinen Müll los. Wir sind heiß auf euren Scheiß. Auch HCB ist ok“, nahm er die aktuelle Diskussion um die Verbrennung von giftigem Hexachlorbenzol aufs Korn. Oberbürgermeister Küchler machte er zum Parkwächter, das Leverkusener Kreuz zum Autopark. Bertholt Kastner, Mark Welte und Jörg Fabrizius brachten Kabarettistisches, die „Mädels vom Ponyhof“ spielten „Aschenputtel“ einmal anders. Musik von „Notausstieg“ und den „Eisheiligen“ rundeten den LKS-Alternativkarneval ab. Das Mottolied sang der Chor Freitag zu den Bildern von Sängerin „Marie Luise Mottoka“ alias Christian Reintjes, der beruflich in der Schweiz weilt.
Tobias Krell



Leverkusener-Anzeiger, 5.Februar 2007
Im Andenken an „JoBo“

 Günda aus Binge in Rheinland-Pfalz kam aus dem Staunen kaum heraus: „Bei Euch sind die Sitzunge was kleiner, gah?“, fragte der Moderator (Wolfgang Müller-Schlesinger) mit pfälzischem Dialekt in die wenigen Stuhlreihen, wunderte sich ob der Namen des Veranstaltungsorts „Kulturverbesserungswerk“ und des Leverkusener Stadtteils „Wiesloch“.

Aber man kann eben nicht alles haben, wenn man der einzige noch verfügbare Moderator für eine Veranstaltung im „falschen Rheinland“ ist. Und so nahm Günda vieles mit Humor, verzichtete darauf, zu viel „zu babbele“ und führte durch den Abend von Leverkusens Kleinster Sitzung (LKS), die mit Erinnerungen an deren Begründer Johannes Boddenberg begann. Der Leverkusener Kabarettist, der im Jahr 2004 starb, hatte vor zehn Jahren mit vielen befreundeten Künstlern die erste und einzige alternative Karnevalsveranstaltung auf die Beine gestellt.

Die Freunde sind geblieben und haben zum Geburtstag der LKS ein wunderbares Programm auf die Beine gestellt, das am Sonntagabend Premiere feierte. Rund 40 aktive Unterhaltungskünstler, Redner und Musiker bereiteten den Zuschauern ein köstliches Vergnügen. Zum Beispiel der Chor Freitag, der kölsches Liedgut auf Englisch (Cologne Songgood) zum Besten gab und Hits wie „Drink One With“ (Drink doch eine met), und „Cologne Girlies“ (Kölsche Mädcher) zum neuen musikalischen Erlebnis machte. Oder das schwer begabte Funkemarieche (Susanne Klemisch), das sich immer wieder tapfer auf die und von der Bühne kämpfte.

Oder die Gruppe Notausstieg der Musikschule Leverkusen, die auf Besen, Kehrblech und Rohren trommelte. Oder Andreas Bender, der die Lokalpolitik der Parkstadt (Chemiepark, Innovationspark, Entsorgungspark, Neuland Park) kritisch beäugte. Es waren viele kuriose Gestalten, die sich auf der Bühne tummelten: Serienmörder Jörg Fabrizius, Ausflugsastronaut Mark Welte, ein ziemlich einsilbiges Aschenputtel und ein Antiprinz. Wer wissen will, was sich dahinter verbirgt, sollte sich die LKS dringend anschauen. Sie wird bis Freitag, 9. Februar, täglich um 20 Uhr im Kulturausbesserungswerk zu sehen sein. Restkarten gibt es (bis auf die Freitagsvorstellung) noch an der Abendkasse.
Maria Wadenpohl

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